Aachener Stiftung Kathy Beys

Lageberichte

Gemäß dem Bilanzrechtsreformgesetz sind Unternehmen seit dem Geschäftsjahr 2005 gefordert, Informationen zu Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen anzuführen, soweit diese für den Geschäftsverlauf, die aktuelle Lage oder die voraussichtliche Geschäftsentwicklung relevant sind. Mit der Änderung der Paragraphen 289 Abs. 1 und 315s Handelsgesetzbuch (HGB) sind insbesondere große Kapitalgesellschaften erstmals verpflichtet, nichtfinanzielle Leistungsindikatoren in ihre Lageberichterstattung einzubeziehen, sofern diese für den Unternehmenserfolg relevant sind. Hiermit implementiert die Bundesregierung die „EU Accounts Modernisation Directive”, welche die Koordinierung einzelstaatlicher Regulierungen innerhalb der EU vorsieht.

Die Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (englisches Kürzel: ESG) geschehe noch viel zu wenig oder mit nur geringer Aussagekraft, urteilen Wirtschaftsprüfer. Bisher geben die Lageberichte der meisten Unternehmen kaum aussagekräftige Informationen zu öko-sozialen Risiken oder Chancen. Es sei auch ungeprüft, ob Unternehmen sich systematische an die rechtlichen Vorgaben hielten, sagen Wirtschaftsprüfer. Die Mini-Berichtspflicht sein unwirksam, kritisieren andere Beobachter. Die verpflichtende Firmenberichterstattung werde um Schlüsselkriterien für Nachhaltigkeit ergänzt werden müssen.

Die EU-Kommission hat den Weg in diese Richtung beschritten: Im April 2013 legte sie einen Richtlinienentwurf zu einer verpflichtenden CSR-Berichterstattung vor. Danach müssen Unternehmen zu ihrer unternehmerischen Verantwortung im Geschäftsbericht zu ihren Leistungen hinsichtlich Umwelt, Gesellschaft, Mitarbeitern, Menschenrechten, Korruptionsbekämpfung und Vielfalt in Führungsgremien (Diversity) informieren. Statt detaillierter „Nachhaltigkeitsberichte“ sollen Unternehmen knappe Informationen offen legen, die nötig sind, um sich ein Bild von Entwicklung, Geschäftsergebnissen oder Lage einer Gesellschaft zu machen.

Über den Entwurf zur CSR-Berichtspflicht haben 2013 und 2014 die Kommission, das EU-Parlament und der Ministerrat verhandelt, weil EU-Richtlinien einer Zustimmung aller drei Gremien bedürfen. Ende Februar 2014 haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf eine Berichtspflicht zur gesellschaftlichen Verantwortung (CSR) geeinigt. Erstmals werden künftig große Unternehmen über extra-finanzielle Aspekte wie Umweltrisiken, Korruption und Menschenrechtsaspekte in ihren Jahresberichten Rechenschaft ablegen müssen. Dies schließt deren Zulieferer mit ein.

Die Richtlinie soll aber nur für „Unternehmen des öffentlichen Interesses“ gelten, insbesondere für börsennotierte. Das reduziert den Kreis von einst angepeilten 18000 auf 6000 Unternehmen. Die EU-Kommission wollte rund 18.000 börsennotierte und ungelistete Unternehmen in Europa mit mehr als 500 Mitarbeitern und/oder mehr als 40 Millionen Euro Umsatz zur Offenlegung verpflichten. Schon damit wären viel weniger Unternehmen erfasst gewesen als durch die Rechnungslegungsrichtlinien, der alle Firmen ab 250 Mitarbeitern folgen müssen (siehe auch: Nachhaltigkeitsberichte & CSR-Berichtspflicht).

Lageberichte thematisieren allerdings zunehmend oft die wertorientierte Unternehmensführung. „Allerdings werden kaum Zielgrößen formuliert noch ein Soll-Ist-Vergleich gemacht“, bemängelt die Agentur HGB Hamburger Geschäftsberichte. Immerhin waren verantwortungsbewusste Unternehmensführung und nachhaltiges Wirtschaften 2010 einer der dominanten Aspekte in den Geschäftsberichten zu 2009 - neben den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Bilanzen. Das ergab eine Analyse der Berichte der 160 Firmen aus Dax 30, M-Dax Tec-Dax und S-Dax durch die HGB. In den Firmen habe offenbar ein grundlegendes Umdenken stattgefunden, sagt deren Geschäftsführender Gesellschafter Peter Poppe.

Den Grund dafür offenbarte 2010 eine HBG-Umfrage unter 55 Investor Relations- und Kommunikationsverantwortlichen: Aktionäre orientieren sich nicht mehr allein am kurzfristigen Firmenerfolg, sondern achten immer stärker darauf, wie die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen des Unternehmens aussehen und zum langfristigen unternehmerischen Erfolg beitragen. Für drei Viertel der Befragten gehörten Shareholder Value und Stakeholder Value zusammen. Mehr als die Hälfte der Befragten erwarten, dass die Nachhaltigkeitsberichte künftig in die Geschäftsberichte aufgehen (siehe auch Integrierte Berichterstattung).

Das Bundesumweltministerium (BMU) gab 2009 eine Broschüre zu den Investorenwünschen heraus, die insbesondere die Nachhaltigkeit in der Lageberichterstattung thematisiert. Sie informiert über Berichtspflichten, von Investoren gewünschte Schlüsselkriterien und Best-Practice-Beispiele. Im Auftrag des BMU und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte waren Investoren und Analysten als wichtigste Zielgruppe der Lageberichte befragt worden, um Schlüsselkriterien für Nachhaltigkeit (SD-KPI) zu sondieren. Eine Fokussierung auf die wichtigsten nachhaltigen KPIs führen nach Ansicht von Großinvestoren langfristig zur höchsten risikogewichteten Rendite nachhaltiger Investments.


Interne Links zum Thema Berichterstattung
Externe Links
Umweltbundesamt: Lagebericht zur Lageberichterstattung börsennotierter Unternehmen
BMU: Was Investoren wollen: Nachhaltigkeit in der Lageberichterstattung, 2009

Schlagworte

Berichte, Geschäftsbericht, Nachhaltigkeitsberichtserstattung

Letzte Aktualisierung

30.09.2015 07:58

Diesen Artikel: