Aachener Stiftung Kathy Beys

Mainstreaming: ESG Integration in Titelanalyse & Portfoliomanagement

a. Begriffserklärung und Hintergründe
b. Argumente
c. Initiativen
d. Messung und Herausforderungen
e. ESG-Integration in der Praxis

a. Begriffsklärung und Hintergründe

Unter „Mainstreaming“ versteht man die Verbreitung des Nachhaltigkeitsgedankens in der konventionellen Finanzwelt. Dem Mainstream geht es um Faktoren, die Unternehmen materiell beeinflussen, sich messen und möglichst in die bisherigen Analysemodellen integrieren lassen. Beim Mainstreaming geht es folglich darum, zentrale Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) anhand von Kernkriterien in die Titelanalyse, Titelauswahl und das Portfoliomanagement zu integrieren. Darum spricht man auch vom „ESG-Mainstreaming“ oder der „ESG-Integration“. Themen sind zum Beispiel CO2-Emissionen, Wasserverbrauch oder Mitarbeiterfluktuation. Dabei geht es nicht nur um Aktien, sondern auch um Anleiheemittenten.

Da der Fokus der Mainstream-Anleger auf materiell für das Unternehmen und den Investor wichtigen Kriterien liegt, werden viele Nachhaltigkeitsaspekte nicht beachtet, die zwar ebenfalls global sehr wichtig sind, aber (noch) nicht messbar oder bislang ohne spürbaren finanziellen Einfluss auf Firmen sind. Hierzu gehört etwa die biologische Vielfalt: Sie ist für viele Branchen von absolut existenzieller Bedeutung – etwa für den Tourismus, die Forstwirtschaft, die Pharmaindustrie oder den Bergbau. Aber Biodiversität wird noch von konventionellen Investoren vernachlässigt.

Darum ist Mainstreaming auch umstritten. „Echte“ Nachhaltigkeitsanalysten und SRI-Investoren wettern gegen diese „Materiality“-Methode.
Jedoch gibt es viele Argumente für die ESG-Integration.

b. Argumente

Entscheidendes Argument für ein ESG-Mainstreaming ist, dass die Beachtung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) zur treuhänderischen Verantwortung von Anlegern gehört. Die ESG-Integration in Anlageentscheidungen ist „kein Luxus mehr, sondern eine rechtliche Notwendigkeit“ meinten 180 Großinvestoren mit zwei Billionen Dollar verwaltetem Vermögen in dem Bericht „Fiduciary Responsibility“ der Finanzinitiative der Vereinten Nationen UNEP FI vom Juli 2009. Investmentberater und Serviceanbieter von institutionellen Anlegern haben demnach die Verpflichtung, öko-soziale Themen in ihre Dienstleistungen zu integrieren. Andernfalls besteht „das sehr reale Risiko, wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht verklagt zu werden“, so der Bericht. Er zeigt auf, was Vermögensberater und Vermögensverwalter konkret zu tun haben. Der UNEP FI-Bericht schreibt den internationalen „Freshfields-Bericht“ der Anwaltkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer fort. Der hatte 2005 im Auftrag der UNEP FI nach einer Untersuchung der Rechtssituation in mehreren Ländern klar gemacht, dass die Missachtung nachhaltiger Aspekte international oft einen Bruch der rechtlichen Pflichten von Institutionellen darstellt.

Zweitens spricht die zu erzielende Wirkung für eine ESG-Integration. Ein Fokussieren auf sehr nachhaltige Unternehmen erreicht lediglich einen Nischenmarkt unter den Anlegern, die nur in die ohnehin überzeugten Unternehmen investieren. Dadurch wird nicht die Masse der Wirtschaft erreicht. Durch die Integration zumindest wichtiger Nachhaltigkeitsaspekte in die Kapitalanlage von Großinvestoren, werden Konzerne und Mittelständler und indirekt die Zulieferer stimuliert oder gar unter Druck gesetzt, Strategien und Managementsysteme zu entwickeln, um ihr Kerngeschäft verantwortlicher und nachhaltiger als bisher zu betreiben: natürliche Ressourcen zu schonen, große Umweltschädigungen zu vermeiden und Arbeits- und Menschenrechte zu beachten. Wenn Großinvestoren wenigstens auf einigen Feldern richtig Druck ausüben, bewegt sich was. Das zeigen einige globale und thematische Initiativen, etwa zum Klimaschutz, der Wald- oder Wasserschonung. Es ist zu akzeptieren, dass Großanleger ihr Kapital - vielfach schon aus rechtlichen Gründen - breit und auf alle Branchen streuen müssen. Das sollte sie nicht aus der Verantwortung entbinden, Schwergewichte der Wirtschaft zur Verantwortung zu ziehen.

Drittens sprechen aus Sicht der Anleger abgesehen von rechtlichen Aspekten auch Rendite- und Risikoerwägungen für die Beachtung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien bei der Titelanalyse und dem Portfoliomanagement. „Die Integration von ESG-Kriterien ist ein Managementansatz, der die langfristige Performance für die Anspruchsberechtigten maximiert.“ Das sagten 84 Prozent von 251 befragten europäischen Investoren aus neun Ländern, die insgesamt 7,5 Billionen Euro Vermögen verwalten. Es gebe keinen Widerspruch zwischen ESG-Integration und treuhänderischer Verantwortung, heißt es in der Studie „ESG Perception and Integration Practices“ der französischen Research-Agentur Novethic, die Ende 2010 erschien.

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Schlagworte

Environment Social Governance (ESG), Management

Letzte Aktualisierung

12.11.2015 10:38

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