Aachener Stiftung Kathy Beys

Nachhaltigkeitsberichterstattung & Finanzmarkt

Finanzprofis beurteilen ökologisch und sozial verantwortliches Wirtschaften als derart wichtig für Firmenerfolg und Unternehmensbewertung, dass manche eine Berichtspflicht verlangen. „Es ist eine gesetzliche Verpflichtung zu Nachhaltigkeitsberichten erforderlich“, sagte Ralf Frank, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Managment (DVFA), dem Handelsblatt 2009. Damals entsprachen CSR- und Nachhaltigkeitsberichte weder der Form noch dem Inhalt nach den Bedürfnissen von Investoren und Kreditgebern. Das hat sich inzwischen zwar etwas geändert, doch nicht einmal zehn Prozent der größten Gesellschaften in der EU legen regelmäßig entsprechende Informationen offen, wie die EU-Kommission 2013 erneut kritisierte.

Inzwischen fordert eine internationale Investorengruppe von den 30 größten Börsen, sie sollten eine solide Nachhaltigkeitsberichterstattung als Listingbedingung aufnehmen. Eine weitere Investoreninitiative, darunter der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock und die Börsengruppe Nasdaq, hat zu einem einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard für Börsen aufgerufen. Diesen sollen Börsen weltweit nutzen, um in ihre Notierungsbedingungen künftig Anforderungen zur Offenlegung öko-sozialer Risiken und Leistungen zu integrieren. Die Initiative wird koordiniert durch das Investor Network on Climate Risk (INCR). Ihm gehören gut hundert Investoren an, die addiert mehr als zehn Billionen US-Dollar verwalten.

Die institutionellen Investoren haben im Frühsommer 2013 einen Entwurf für einen Listing- Standard zur Diskussion gestellt. Nach Berücksichtigung von Kommentaren zahlreicher Investoren wurde der Nachhaltigkeits-Listing-Standard der US-Börse NASDAQ OMX und weiteren Börsen zur Begutachtung vorgelegt – erst sollen sie reagieren, bevor der Standard-Empfehlung formell der globalen Börsenvereinigung World Federation of Exchanges (WFE) übergeben wird.

Weltweit veröffentlichen nur 3400 Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht, selten erörtern sie materiell wichtige Aspekte in Geschäftsberichten. „Investoren sind zunehmend frustriert über den Mangel an Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen quer durch alle Märkte und darüber, wie inkonsistent die Daten sogar innerhalb einer Branche sind“, so INCR-Direktor Mindy Lubber. Die Unternehmen sollen künftig in ihren Jahresfinanzberichten erklären, welche Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte für sie von materieller Bedeutung sind und warum.

Die Forderung konventioneller Finanzexperten zeigt den Bedeutungszuwachs der Corporate Social Responsibility (CSR) oder unternehmerischen Verantwortung im Kerngeschäft. Auch Eurosif, das europäische Netzwerk von Großanlegern, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, plädiert für eine Verpflichtung der Konzerne zur systematischen Offenlegung von Nachhaltigkeitsleistungen. „Ohne umfassende Informationen kann kein institutioneller Anleger die volle Verantwortung für seine Investitionen übernehmen“, erklären Vermögensverwalter.

Darum auch hat im Juni 2013 eine Gruppe von Investoreninitiativen den Richtlinienentwurf der EU-Kommission für eine CSR-Berichtspflichtunterstützt, auf die sich Anfang 2014 Kommission, EU-Parlament und Ministerrat geeinigt haben, wenn auch in stark abgeschwächter Form. Das Plädoyer der Investoren hatte Gewicht, denn hinter dem gemeinsamen Aufruf stehen einige der größten Finanz- und Investoreninitiativen der Welt - die Organisationen repräsentieren mehr als 700 institutionelle Investoren mit addiert mehr als 65 Billionen Euro an verwaltetem Vermögen.
Institutionelle Investoren, Unterzeichner der UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren (UN PRI), verlangen bereits seit 2009 eine fundierte Berichterstattung zur unternehmerischen Verantwortung.

Immerhin veröffentlichen inzwischen fast alle Dax-30-Konzerne Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichte. Qualität und Umfang der Berichte variieren jedoch extrem. Manche sind nach Ansicht von Experten pure PR. Einige legen den Fokus auf gute Taten statt auf ihr Kerngeschäft. In aufwändigen Magazinen berichten sich nur über Projekte und nicht über ihre Leistungsbilanzen. Andere dagegen informieren klar und anhand messbarer Kriterien über Strategien, Management, Produkte, Wertschöpfungskette, Ziele und Leistungen. Nur wenige tun das auch selbstkritisch und trauen sich, heikle Aspekte anzusprechen. Vielfach aber lässt die Glaubwürdigkeit nicht nur mangels Daten, sondern auch mangels Kontrolle zu wünschen übrig. Weder bei der Mehrheit der 30 Dax-Konzerne noch der andere Unternehmen ist jedoch ein Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften üblich.

Auch die Lageberichte der meisten Unternehmen geben laut Finanzexperten und Analysten kaum aussagekräftige Informationen zu öko-sozialen Risiken oder Chancen, die mit ihrer Geschäftstätigkeit verbunden sind. Die Mini-Berichtspflicht von 2005 seien unwirksam, kritisieren Beobachter. Ungeprüft sei, ob Unternehmen sich daran hielten, sagen selbst Wirtschaftsprüfer. Die Firmenberichterstattung werde wohl um Schlüsselkriterien für Nachhaltigkeit ergänzt werden müssen.

Eine Berichtspflicht sei aber nur sinnvoll, wenn sie Erfordernisse von Kapitalgebern, Finanzanalysten und Ratingagenturen beachte, sagen Analysten. Transparenz heiße nicht, viele Daten, sondern die entscheidenden und quantifizierbare offen zu legen. Das erfordere eine Standardisierung. Die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) sei ein erster Schritt, sagen Vermögensverwalter, doch die Datenmenge halten manche für noch zu groß.
Konzentriertere Anhaltspunkte geben Entsprechungserklärungen zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK oder die Schlüsselkriterien für Umwelt-, Soziales und Governance der DVFA (ESG Key Performance Indicators).

Interne Links zum Thema Berichterstattung
Externe Links
Handelsblatt 2009

Schlagworte

Corporate Social Responsibility (CSR), Finanzen, Finanzmarkt, Nachhaltigkeitsberichtserstattung

Letzte Aktualisierung

29.09.2015 09:29

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