Aachener Stiftung Kathy Beys

Ressourcenproduktivität

Einleitung

Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung, insbesondere in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) werden die Ressourcen der Erde immer geringer. Gleichzeitig holen diese Staaten in der wirtschaftlichen Entwicklung auf (bei Zuwachsraten der Produktion von zehn Prozent und mehr pro Jahr), nutzen die Rohstoffe jedoch in noch raueren Mengen als die Industrieländer, da diese BRIC-Staaten eine wesentlich größere Anzahl an Menschen versorgen müssen.
Momentan liegt die Anzahl der weltweit genutzten Ressourcen von Seiten der Industrieländer bei 80 Prozent. Dabei stellen die Industrieländer nur einen Anteil von 20 Prozent der Weltbevölkerung dar. Daraus lässt sich folgern, dass bereits beginnende Preissteigerungen wichtiger Ressourcen auf zukünftige Zugangs- und Verteilungskonflikte hinweisen.
Gleichzeitig bewirken weltweit anhaltendes Wachstum von Produktion und Bevölkerung einen zunehmenden Anpassungsdruck in Richtung höherer Effizienz beim Einsatz natürlicher Ressourcen. Eine gleichmäßigere Verteilung des Ressourcenzugangs pro Kopf weltweit wäre ein wesentlicher Faktor zur Vermeidung von Konflikten (Wuppertal Institut 2005). Daraus lässt sich also folgern: Strategien zur Steigerung der Ressourcenproduktivität werden zu einem Schlüsselfaktor nachhaltiger Entwicklung.
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Infolgedessen ist eine gerechte Verteilung der Ressourcen wichtig, um weltweite Konflikte zu vermeiden. Bisher fehlen dazu jedoch noch passende Konzepte und Instrumente. Dabei haben die Schwellenländer die Möglichkeit des sogenannten "leapfrogging", d.h. des großen Sprungs nach vorn zu ressourceneffizienten Produkten und Technologien. Ein Nachteil besitzen die Industrieländer, die im Bezug auf einen systemorientierten Umgang mit Ressourcen einen erheblichen Nachholbedarf. Bei den Entwicklungsländern sieht man allerdings die Gefahr, dass sie an diesen Transformationsprozessen auch zukünftig nicht teilnehmen können.

Die Umsetzung "ressourcenleichten" Wirtschaftens in Europa

Ressourcenleichtes Wirtschaften ist in Europa mittlerweile national wie auch international zu einem bedeutendem Thema geworden.
Auf nationaler Ebene gibt es mittlerweile verschiedene Nachhaltigkeitsprogramme und -strategien, die z.B. die Energie- und Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1990 und 1994 verdoppeln möchten. Außerdem ist langfristig eine Halbierung des Rohstoffeinsatzes bei Verdoppelung des Wohlstandes geplant: Die sogenannte Faktor-4-Vision.
Auch das "Impulsprogramm" der Bundesregierung hat zum Ziel, „ressourcenleichtes“ Wirtschaften im Bereich kleiner und mittelständischer Unternehmen zu unterstützen. Im Jahr 2004 standen dafür 1 Mio. Euro, im Jahr 2005 2 Mio. Euro und in den Jahren 2006 und 2007 standen jeweils 9. Mio. Euro zur Verfügung.

Auf internationaler Ebene, sprich EU, findet man die Nachhaltigkeitsstrategie, die Lissabon-Strategie sowie die aktuellen Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung für eine Erhöhung der Ressourcenproduktivität. Mittelfristig strebt sie sogar eine Verdoppelung der Ressourcenproduktivität an. Ressourcenleichtes Wirtschaften wird mit der Kommunikationsstrategie zur Integrierten Produktpolitik anstrebt.
Die Förderung des effizienten Umgangs mit Material und Energie findet man auch in anderen EU-Richtlinien und Verordnungen: Dazu zählt z.B. die EU-Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (European Integrated Pollution Prevention and Control), der EU-Gebäuderichtlinie, der Altauto-Verordnung, der Elektronikschrott-Verordnung und die Richtlinie zum Emissionshandel. In einigen europäischen Ländern wie Österreich, die Niederlande, Schweden und Finnland, haben das Konzept der Material- bzw. Ressourceneffizienz sogar in ihre politischen Programme aufgenommen.

Rahmenbedingungen
Wie lauten nun die Rahmenbedingungen? Zunächst sollten für ressourcenleichtes Wirtschaften die passenden Maßnahmen und Instrumente erschaffen werde. In diesem Prozess der EU-Ressourcenstrategie, sollte Deutschland eine führende Rolle spielen.

Vorausetzungen und Ziele
Voraussetzung für ressourcenleichtes Wirtschaften sind engagierte Akteure, in Form von PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen, FinanzdienstleisterInnen und LehrerInnen. Denn um einen ökologischen Strukturwandel des derzeitigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems bewirken zu können, werden erstens Helfer auf allen gesellschaftlichen Ebenen benötigt. Zweitens muss man von der Entwickung bis zur Anwendung neuer technischer Lösungen zwischen fünf und 20 Jahren einplanen.
Das nachhaltige Ziel ist also die Reduzierung des weltweiten Ressourcenverbrauchs um durchschnittlich 50 Prozent. Um allen Menschen einen angemessenen Zugang zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen, müssen die Industrieländer ihre Ressourcenproduktivität um den Faktor 10 erhöhen. Dies kann in bestimmten Bereichen leicht und schnell geschehen, in anderen Bereichen sind dagegen zeitaufwändige Systemumstellungen erforderlich.
Die zentrale Voraussetzung zur Steigerung der Ressourcenproduktivität ist jedoch die Messung des tatsächlichen Ressourcenverbrauchs auf der Mikro- und Makroebene, in Wertschöpfungsketten und bezogen auf den vom Ressourceneinsatz generierten Nutzen. Hierbei handelt es sich um ein gesellschaftliches Experiment zu der Frage, ob wir uns bereits auf dem „ressourcenleichten“ Weg befinden oder nicht.

Verschiedene Messkonzepte
Die Messung der Ressourcenproduktivität kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen: Das erste Messungsverfahren MIPS (Materialinput pro Service-Einheit) "misst die Umweltbelastungsintensität von Techniken und Produkten im Hinblick auf ihren spezifischen Ressourcenverbrauch in allen Lebensphasen. Hierzu werden Ressourcen wie Material und Energie in Gewichtseinheiten umgerechnet. Der inverse Wert von MIPS ist ein unmittelbares Maß für Ressourcenproduktivität."
Das zweite Messungsverfahren wurde von Statistischen Ämtern mehrerer Länder TMR (Total Material Requirement) wurde benannt. Damit versuchen sie den gesamten Ressourcenverbrauch einer Wirtschaft zu erfassen.
Langfristig scheint jedoch eine Verbindung von wirtschaftsraumbezogenen Stoffstromanalysen auf Makroebene und produkt- bzw. dienstleistungsbezogenen Analysen auf Mikroebene erforderlich, um systematisch eine Steigerung der Ressourcenproduktivität zu erreichen. Dazu wird ein Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zum Thema „Steigerung der Ressourcenproduktivität als Kernstrategie einer nachhaltigen Entwicklung“ gefördert.

Fazit

Da der Ressourcenverbrauch in Europa hoch ist,d.h. die heimischen Extraktionen zurückgehen und die Importe steigen, sind zur Steigerung der Ressourcenproduktivität neben globalen Aktivitäten insbesondere regionale Initiativen notwendig. Dabei ist ein an Wertschöpfungsketten und Bedarfsfeldern orientiertes Vorgehen sinnvoll.

Anwendungsbeispiele auf regionaler und internationaler Ebene

Studien zum Thema der Ressourcenproduktivität der Aachener Stiftung Kathy Beys
Dieser Meinung ist auch die Aachener Stiftung Kathy Beys, die bereits 2005 mithilfe zahlreicher Studien zur Steigerung der Ressourcenproduktivität in der Aachener Region, klare politische Entscheidungen bewirken möchte. Ihr Ziel ist es die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Zukunftspotentiale einer Steigerung der Ressourcenproduktivität richten, um "Deutschlands Wirtschaft zum Weltmeister der Ressourcenproduktivität zu machen."
Die Ergebnisse des Aachener Szenarios
Eine der untersuchten Studien wurde "Aachener Szenario" benannt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine Steigerung der Ressourcenproduktivität sich auf Arbeitsplätze, Unternehmen und Staat stark positiv auswirkt:
  • die Schaffung von mehr als einer Million Arbeitsplätze
  • die Senkung des Ressourcenvebrauchs trotz gesteigerter Wachstumsrate
  • die Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 12 % gegenüber der Basisprognose
  • die Steigerung des Finanzierungssaldo steigt um 100 Mrd. €, sodass eine Gesundung der Staatsfinanzen mittelfristig erreichbar ist
  • Wenige Schlüsselsektoren, die 2/3 des Ressourcenverbrauchs in Deutschland bestimmen, sind damit als zukunftsrelevante Innovationsbereiche identifiziert
Als begleitende Maßnahmen werden die Beratung der Unternehmen, neue ökonomische Instrumente, wie begleitende aufkommensneutrale fiskalische Maßnahmen und bestimmte Förderprogramme, die sich auf die identifizierten Schlüsselsektoren beziehen, genannt.

Die 3R-Initiative der G8-Staaten
Im Rahmen eines G8-Gipfeltreffens wurde die 3R- Initiative im Jahr 2004 als Folge einer Vereinbarung getroffen. Die Initiative hat zum Ziel die Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Rohstoffen mithilfe der Förderung der drei Prinzipien "Reduce, Reuse,Recycle", hier abgekürzt in "3R", stärker in den nationalen Abfallwirtschaftspolitiken der G8-Staaten zu verankern.
Daraufhin wurde im Jahr 2008 in der japanischen Stadt Kobe der "Kobe 3R Action Plan" von den Umweltministern der G8-Staaten bei einer Umweltministerkonferenz beschlossen und ebenfalls in der Deklaration des Toyako Gipfels festgehalten. Im Aktionsplan wurde der Handlungsrahmen für die G8-Staaten festgelegt: das konkrete Ziel ist die Steigerung der Abfallvermeidung, der Wiederverwendung und der Wiederverwertung von Materialien durch Forschung und Entwicklung, Zertifizierenden, die Implementierungen von Standards und Informationen der Bevölkerung über Umweltbelange enthalten. Somit soll vor allem die Ressourceneffizienz erhöht und der umweltverträgliche Verkehr von Stoffen und Abfällen sowie die Kooperation von Schwelllen- und Entwicklungsländern verbessert werden.

Der "Kobe 3R Action Plan" besteht aus neun Handlungsfeldern ("Actions"), die jeder G8- Staat versucht umzusetzen:
  • Abfallvermeidung
  • Steigerung der Ressourcenproduktivität
  • Synergien zwischen Anwendung von 3R und Reduktion von Treibhuasgasemissionen
  • Technische Innovationen und Ökodesign
  • Umweltverträglicher Austausch von Ressourcen, Gütern und Stoffen
  • Produkt- und Güterhandel und grenzüberschreitende Abfallverbringung
  • Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern
  • Know-how-Transfer ind Umweltbildung
  • Kooperation mit Akteuren des Staates, der Wirtschaft, der Forschung sowie mit internationalen Organisationen und NGOs
Den Abschlussbericht Deutschlands für das Jahr 2008-2010 für die G8-Staaten ist hier einzusehen: Abschlussbericht des BMU zur 3R-Studie

Dokumente

"Ressourcenproduktivität als Chance- Ein langfristiges Konjunkturprogramm für Deutschland" Aachener Stiftung Kathy Beys, (PDF)
"Das Stichwort der Zukunft:Ressourcenproduktivität" Jahrbuch der Ökologie, (PDF)
Abschlussbericht des BMU zur 3R-Studie, (PDF)

Literaturhinweise

Aachener Stiftung Kathy Beys (Hg.) (2005): Ressourcenproduktivität als Chance. Ein langfristiges Konjunkturprogramm für Deutschland, Norderstedt.
ADL (Arthur D. Little)/Wuppertal Institut/FhG ISI (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung) (2005): Studie zur Konzeption eines Programms für die Steigerung der Materialeffizienz in mittelständischen Unternehmen. Abschlussbericht, Bonn.
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Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (Hg.) (2005): Fair Future. Begrenzte Ressourcen und globale Gerechtigkeit, München.
v. Weizsäcker, E.U., Lovins, A.B. und L.H.: Faktor 4. Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch. München 1995

Interne Links

Externe Links

"Steigerung der Ressourcenproduktivität als Kernstrategie einer nachhaltigen Entwicklung" Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie GmbH
TU Berlin
Bundestag
"Ressourcenstratgien in Japan"-Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie GmbH

Schlagworte

Ressourcen, Ressourceneffizienz

Letzte Aktualisierung

18.11.2015 09:53

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