Aachener Stiftung Kathy Beys

BMZ: Nachhaltigkeit im Straßenverkehr, 2000 (Archiv)

Der Inhalt des von Ihnen gesuchten Artikels wurde überarbeitet, um größtmögliche
Aktualität zu gewährleisten. Den aktuellen Artikel finden Sie hier: BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.


Das BMZ veröffentlichte im Januar 2000 seine Ziele und Grundsätze für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Straßenverkehr (BMZ aktuell, Nr. 107, Jan. 2000). Dieses wird im Original wiedergegeben.

1. Ziele

Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist, Strukturveränderungen zu bewirken, die die politischen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Partnerländern verbessern. Maßnahmen im Straßenwesen tragen zu diesem Ziel sowohl mittelbar als auch unmittelbar bei.

Unmittelbar tragen sie zur Beseitigung der Isolierung als wesentlichem Faktor von Armut bei, indem sie wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeiten eröffnen und den Zugang zu Gesundheit, Bildung sowie zu einer verbesserten Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sowie Vermarktungsmöglichkeiten erleichtern.

Mittelbar tragen sie zur Senkung der gesamtwirtschaftlichen Transportkosten und - durch die hierdurch freiwerdenden Ressourcen - zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Produktion und des Lebensstandards der Bevölkerung bei.

2. Grundsätze

Verkehrliche Maßnahmen und Förderstrategien unterliegen prinzipiell dem Grundsatz der Nachhaltigkeit. Eine Herausforderung besteht darin, den Bedarf an Verkehrsleistungen unter Beachtung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit, der ökologischen Verträglichkeit und der sozialen Ausgewogenheit zu befriedigen. Eine Konzipierung des Straßensektors im Zusammenhang mit anderen Verkehrsträgern und Verkehrsmitteln (Straße, Schiene, Wasser, Luft) und eine Abstimmung mit anderen relevanten Politikbereichen (z.B. Raumordnung, Wirtschaftsförderung, Stadt- und Regionalentwicklung, Finanzpolitik, Umweltpolitik) kann eine zukunftsfähigere Mobilität herbeiführen.

2.1 Wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Straßenbau und -erhaltung sind nicht Selbstzweck, sondern bedürfen angesichts des Wettbewerbs um knappe Ressourcen der wirtschaftlichen Rechtfertigung. Eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Straßennetzes ist deshalb die Orientierung von Maßnahmen an Kriterien der volkswirtschaftlichen Effizienz: es ist sicherzustellen, dass den aufgewendeten Ressourcen (Investitions- und Erhaltungsaufwendungen) ein angemessener sozialer und wirtschaftliche Nutzen gegenübersteht (z.B. in Form von Zeit- und Kostenersparnissen beim Transport von Gütern und Personen oder von verlängerter Lebensdauer bzw. verminderten Unterhaltungsaufwendungen der Straßen).

Nachhaltig wirtschaftlicher Nutzen kann aus Straßen nur dann erwachsen, wenn diese auf Dauer erhalten und unterhalten werden. Im Vergleich zu Neuinvestitionen sind geringe jährliche Aufwendungen (ca. 2,5% des Wiederbeschaffungswertes des Gesamtstraßennetzes) erforderlich, denen ein hoher gesamtwirtschaftlicher Nutzen gegenübersteht. Deshalb sind Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Straßeninfrastruktur primär auf die wirksame Erhaltung des Straßennetzes auszurichten und erst wenn die sektorpolitischen und institutionellen Rahmenbedingungen für eine wirksame Straßenerhaltung gegeben sind, sollte der Straßenneubau bzw. -ausbau mit ausländischer Finanzierung erwogen werden.

Ein zentraler Aspekt bei der Beurteilung der sektoralen Rahmenbedingungen ist das Ausmaß, in dem die Nutzer zur Finanzierung der Kosten (Straßenbau, Straßenerhaltung) herangezogen werden. Das Entwicklungsland sollte eine Abgaben- und Gebührenpolitik verfolgen, die den einzelnen Nutzer mit den von ihm verursachten direkten und indirekten Kosten belastet und die Einnahmen tatsächlich dem Straßenbau bzw. der Straßenerhaltung in notwendigem Umfang zukommen lassen.

Zusagen für den Straßenbau und die Straßenerhaltung sind an den Nachweis des Entwicklungslandes zu koppeln, dass die Rahmenbedingungen entweder angemessen sind, oder dass schon erste konkrete Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen effektiv durchgeführt wurden. Solche Schritte können z.B. sein: die Inangriffnahme eines entsprechenden Sektorprogramms, die Rückführung des Ausbauprogramms bei gleichzeitiger deutlicher realer Erhöhung der finanziellen Mittel für Unterhaltung und Instandsetzung, die Bereitschaft, erforderlichenfalls das bestehende Straßennetz auf einen unterhaltbaren Kernbereich zu reduzieren, bzw. die Unterhaltung nachrangig prioritärer Straßen dezentralen Körperschaften anheim zu stellen, die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren mit Zweckbindung der Mittel für die Erhaltung (z.B. in Form eines Straßenerhaltungsfonds), die Akzeptanz verkehrsangepasster Ausbaustandards von Straßen (Fahrbahnbreite, Art des Belags etc.) und die Durchsetzung von Achslastbeschränkungen.

Durch die Herstellung von günstigen Rahmenbedingungen sollen auch die Voraussetzungen für ein privates Engagement geschaffen werden. Neben der Einbeziehung des Privatsektors bei Bau und Erhaltung der Straßeninfrastruktur ist eine erhöhte Beteiligung des Privatsektors bei der Finanzierung anzustreben. Weiterhin ist der Privatsektor durch die Gewährleistung von Wettbewerb auf dem Markt für Transportdienstleistungen zu stärken, mit einem Minimum an Regulierung zur Wahrung öffentlicher Interessen. Jeweils im Vorfeld von Sektormaßnahmen ist zu klären, ob privates Kapital zur Finanzierung herangezogen bzw. mobilisiert werden kann, z.B. in Form eines Betreibermodells.

2.2 Sozioökonomische Nachhaltigkeit

Ziel ist ein sozialverträglicher Verkehr, der die Befriedigung wesentlicher Mobilitätsbedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen mit einem Minimum an sozialen Nachteilen (Behinderungen, Belästigungen, Gefährdungen) ermöglicht.

Wird lediglich der individuelle, motorisierte Verkehr betrachtet, geht dies meistens an den spezifischen Bedürfnissen und Möglichkeiten armer Bevölkerungsgruppen vorbei. Bei Planung und Durchführung von Straßeninfrastrukturvorhaben sowie beim Angebot an Transportmitteln und Transportdienstleistungen sind dementsprechend immer auch die nicht-motorisierten Fortbewegungsarten mit einzubeziehen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Vermeidung von Unfällen, die ärmere Bevölkerungsgruppen weit überproportional betreffen.

Die Dezentralisierung ist auch im Transportbereich eine sinnvolle Maxime. Das heißt, der Zentralstaat wird nur dort tätig, wo untergeordnete lokale Einheiten oder Private dazu nicht in der Lage sind. Dabei hat der Zentralstaat aber die Pflicht, diese zu einer Selbsthilfe zu befähigen. Eine Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen, die mit der zur Aufgabenerfüllung entsprechenden Finanzausstattung (möglichst einer Finanzautonomie) verknüpft ist, fördert die Bürgernähe der Entscheidungen und führt zu einer besseren Versorgung. Insbesondere für das sekundäre und ländliche Straßensystem sind dezentrale Verantwortlichkeiten für Straßenbau und -erhaltung oft die sinnvollste Zuordnung. Selbsthilfeansätze, einschließlich Hand- und Spanndienst, haben dann eine größere Chance der Realisierung als bei zentraler Zuständigkeit.

Im Rahmen von Verkehrsinfrastrukturvorhaben, insbesondere bei Neu- und Ausbau, ist eine aktive Einbeziehung von Verantwortlichen in der Regierung, Interessengruppen und Betroffenen Voraussetzung für unsere Unterstützung. Dies gilt insbesondere bei notwendig werdenden, sozialverträglich zu gestaltenden Umsiedlungen. Auch für brisante Fragen der Ressourcenverteilung (z.B. Prioritäten in der Unterhaltung) und der Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen (Gebühren) bietet die frühzeitige Einbindung aller Akteure eine größere Chance eines politischen Konsensus.

Die Heranziehung von Nutzern zur Übernahme der von ihnen verursachten Kosten sollte stufenweise erfolgen, um soziale Spannungen zu vermeiden und die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Anpassungsprozesse zu erleichtern. Die Nutzer sollten die Möglichkeit haben, die Entscheidungsprozesse über die spätere Mittelverwendung, z.B. in Form von "Road Boards", zu beeinflussen. Anlieger sollen, soweit sachlich gerechtfertigt, organisierbar und kostenmäßig vertretbar, in die Unterhaltung der Straßen einbezogen werden.

Der Einsatz arbeitsintensiver Mittel kann nicht nur zu einer erhöhten Kosteneffizienz im Straßenbau, sondern vor allem in ländlichen Regionen auch erheblich zur Beschäftigung arbeitsloser bzw. unterbeschäftigter Einwohner beitragen. Voraussetzung ist allerdings, dass arbeitsintensive Maßnahmen sich auch unter freien Marktbedingungen durchsetzen können. Hierfür müssen, neben zeitlich begrenzter Förderung von Kontraktoren, vor allem diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen geschaffen werden. In den meisten Ländern wurde bisher der Einsatz von schwerem Gerät durch die gegebenen Rahmenbedingungen begünstigt.

2.3 Ökologische Nachhaltigkeit

Aufgrund der Langfristigkeit der Planungs- und Entscheidungsprozesse im Straßenwesen ergeben sich mehr Chancen für eine ökologisch verträgliche Verkehrspolitik, je früher die ökologischen Probleme erkannt und in die Lösungen einbezogen werden. Das bedeutet im wesentlichen eine aktive Beeinflussung verkehrsverursachender Faktoren in Richtung Verkehrsreduzierung, Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern und -mitteln, oder auch die Optimierung logistischer Ketten.

Zwar sind bislang lediglich die Industrieländer verbindliche Reduktionsverpflichtungen bei der Emission von Treibhausgasen eingegangen (Kioto-Protokoll der Klimarahmenkonvention, 1997), aber auch die Entwicklungsländer sind gehalten, Strategien zu entwickeln, mit Hilfe derer Treibhausgasemissionen stabilisiert bzw. reduziert werden können. Die für Entwicklungsländer zu erwartende Verkehrsentwicklung lässt es als dringend notwendig erscheinen, ihre lokalen (Smog) und globalen Auswirkungen (Klimawandel) verstärkt zu berücksichtigen und für den Verkehrssektor vermehrt Minderungsstrategien für smogbildende Gase (Schwefeldioxid, Ozon, Partikel, etc.) und Treibhausgase (CO2, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe, etc.) zu entwickeln.

Straßenneubau, wie auch der Ausbau und - in geringerem Maße - die Instandsetzung vorhandener Straßen stellen immer einen Eingriff in die Umwelt dar. Dabei werden sowohl durch die Baumaßnahme selbst, wie auch durch die Nutzung der Straße ökologisch negative Wirkungen erzeugt. Im Vorfeld von Investitionen, insbesondere bei Neubau und Ausbau, ist daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Grundsätzlich gilt, dass mit Planung, Baudurchführung und Betrieb eintretende Umweltbelastungen zu vermeiden sind, soweit dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist, bzw. sind sie zu reduzieren oder auszugleichen. Die durch die Straße zu erwartenden Belastungen der Umwelt sind gegenüber ihrem voraussichtlichen Nutzen abzuwägen. Es wird kein Straßenneubau in Primärwaldgebieten gefördert.

Interne Links

Letzte Aktualisierung

03.06.2013 09:45

Diesen Artikel: