Aachener Stiftung Kathy Beys

Greenwashing

Greenwashing betreibt, wer zu Unrecht nachhaltiges Engagement für sich in Anspruch nimmt. Der international etablierte Begriff bezieht sich vor allem auf Unternehmen, die sich mit ökologischen oder auch sozialen Leistungen brüsten, die entweder nicht vorhanden sind oder die minimal sind im Verhältnis zu negativen öko-sozialen Auswirkungen des Kerngeschäfts. Manche Werbekampagnen stufen Analysten klar als Greenwashing ein.
Beispiele

Greenwashing ist ein riskantes Unterfangen. Denn: „Rund 40 Prozent der Reputation eines Unternehmens werden von seinem ökologischen und sozialen Engagement geprägt“, sagt Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Agentur Serviceplan. Als eines der weltgrößten Greenwashing-Beispiele gilt der Fall des britischen Ölkonzerns BP. Er hatte sich publikumswirksam den Slogan „Beyond Petroleum“ und ein Sonnenlogo zugelegt, aber trotz Rekordgewinnen Experten zufolge Anlagen zur Erdölgewinnung verrotten lassen. BP war darum mitverantwortlich für den Untergang der Tiefsee-Ölplattform Deepwater Horizon 2010 und die größte Umweltkatastrophe in der US-Geschichte. Die Kosten betragen mindestens 41 Mrd. Dollar, der Börsenkurs des Konzerns brach ein, der Imageschaden ist dauerhaft.

Umwelt- und Sozialengagement muss das Kerngeschäft umfassen, sonst sinken Glaubwürdigkeit und ökonomische Basis. Denn mit Lippenbekenntnissen geben sich weder Verbraucher noch Geschäftskunden gerne ab. Sie erwarten, dass Unternehmen Umweltschutz und Sozialstandards ernst nehmen. Wer nur so tut, bekommt rasch Ärger: Getäuschte Kunden verbreiten über das Internet blitzschnell Wissen über zweifelhafte Geschäftspraktiken, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bringen Skandale ans Licht. Es können Boykotte, Auslistungen und Abmahnungen folgen oder gar juristische Schritte, etwa Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs oder Verbrauchertäuschung.

So geschehen beispielsweise 2010, als Opel und VW irreführend mit grünen Sprüchen auf Kundenfang gingen, das Deutsche Atomforum Windräder in ein Werbebild montierte und die Handelskette Lidl mit nachweislich nicht erfüllten Sozial- und Arbeitsstandards warb. Bei Lidl hatte die Kampagne Saubere Kleidung gar menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei Zuliefern festgestellt. Lidl gab eine Unterlassungserklärung ab, es kam nicht zum Verfahren. Hängen sich Firmen "ein grünes Mäntelchen um", kann es einem auch so ergehen wie Vattenfall. Der Stromkonzern rief 2008 in Printmedien, Internet, Kinos und auf öffentlichen Plätzen die Bevölkerung zu Unterschriften für den Klimaschutz auf. Weil dies just ein Betreiber klimaschädlicher Braun- und Steinkohlekraftwerke tat, verliehen NGOs, dem Unternehmen den "Climate Greenwash Award 2009". Die Klimakampagne ging nach hinten los.

Diese Beispiele zeigen, wie schnell heutzutage ökologischer oder sozialer Etikettenschwindel als Greenwashing, entlarvt und angeprangert wird. Die Berichterstattung der Unternehmen entspreche auch nicht den Bedürfnissen von Investoren und Kreditgebern, kritisieren Branchenvertreter. Kein Wunder: Das Nachhaltigkeitsmanagement ist meist noch in der Findungsphase. „In mehr als der Hälfte der Firmen klafft eine beträchtliche Lücke zwischen selbstdefiniertem Anspruch und aktuellen organisatorischen Strukturen“, so Alexander von Preen, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kienbaum in 2010. Das gefährde die Glaubwürdigkeit, es drohen wirtschaftliche Risiken. Noch immer gibt es zahlreiche Berichte zur Nachhaltigkeit oder Corporate Social Responsibility, die fast nur „gute Taten“ schildern, beispielsweise der CSR-Bericht der großen Anwaltskanzlei Baker & McKenzie von 2011. Eine Rechtsberatung zu potenziellen Reputations-, Regulierungs- oder Haftungsrisiken biete sie nicht aktiv an, so einer der Partner auf Anfrage.

Selbst bei Unterzeichnern der UN-Initiative Global Compact bestehen derart beträchtliche Defizite, dass diese Initiative der Vereinten Nationen immer wieder Unternehmen ausschließt: Bis Oktober 2013 sind es schon 4188 Unternehmen. Sie haben mindestens zwei Jahre in Folge nicht über ihre Fortschritte zur Einhaltung der zehn Umwelt-, Sozial- und Governance-Prinzipien berichtet. Die Initiative will sich nicht länger zum Greenwashing missbrauchen lassen. Die inzwischen 10.000 Mitglieder in 145 Ländern, davon 8000 Unternehmen und 322 Akteure aus Deutschland, müssen belegen, was sie zur Umsetzung der zehn Nachhaltigkeitsprinzipien zur ökologischen und sozialen Verantwortung tun.

CSR gilt es strategisch anzupacken. Unzählige Innovationen sind nötig, damit Firmen ihrer „Verantwortung für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ gerecht werden - so lautet die neue CSR-Definition der EU-Kommission seit Oktober 2011. Sie macht klar, dass nicht gesellschaftliches Engagement abseits des Kerngeschäfts gemeint ist, sondern verantwortliches Management des Kerngeschäfts. Sie spricht nicht mehr von Freiwilligkeit.

Eine Kooperation mit versierten Umweltorganisationen kann hierfür hilfreich sein. Viele Unternehmen werben mit solchen Kooperationen. Ein fliegender Storch auf einem grünen Plakat von Volkswagen Leasing, ein niedlicher Panda auf Joghurtbechern von Danone, ein possierlicher Frosch auf Chiquita-Bananen – hier soll bei Verbrauchern ein gutes Gefühl geweckt werden. Logos von Umwelt- oder Entwicklungsorganisationen sind aber nicht in jedem Fall ein sicherer Beleg, dass Unternehmen ihr Kerngeschäft verantwortlich betreiben. Vielfach dienen sie nur zum Greenwashing.

Zudem sind Partnerschaften schwierig einzuschätzen. So war der Panda auf dem Yoghurt umstritten. Das Emblem der Umweltorganisation WWF soll eine umweltverträgliche Verpackung signalisieren, sagt aber nichts zum Inhalt. Zudem kritisierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) 2011, Becher aus dem Biokunststoff PLA seien ökologisch nicht vorteilhafter als solche aus dem Kunststoff Polystyrol auf Rohölbasis. Die DUH beruft sich auf eine wissenschaftliche Ökobilanz des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU), die diese für Danone und den WWF erstellt hatte. Der WWF aber gewichtet Einzelfaktoren anders und hält PLA für umweltverträglicher. Gleichwohl einigte sich Danone mit der DUH und verzichtet seit November 2011 auf die Aussage „umweltfreundlicher“ auf dem Becher, um eine juristische Auseinandersetzung zu beenden – die DUH hatte eine Klage wegen Verbrauchertäuschung eingereicht. Den Vorwurf weist Danone aber zurück. Tatsächlich hat der Konzern nach Angaben des amerikanischen PLA-Hersteller Nature Works in dreijähriger Arbeit mit ihm und im Dialog mit vielen Nichtregierungsorganisationen, dem sich die DUH nicht angeschlossen hatte, versucht, möglichst sämtliche Nachhaltigkeitsanforderungen für das Produkt zu erfüllen. Von Greenwashing kann in diesem Fall also keine Rede sein.

Angesichts einer unübersichtlichen Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen warnt die Beraterin Frauke Fischer, Biologin an der Universität Würzburg: „Es reicht nicht, mit irgendwelchen Umweltorganisationen zu kooperieren, denn es gibt keine unabhängige Überprüfung der Leistungen von Naturschutzorganisationen.“ Solange dies fehle, müssten Unternehmen gut prüfen, welche Organisation „das beste Produkt für ihr Geld“ liefere. Analysten von Researchagenturen ergänzen, dass sie Forschungskooperation positiv beurteilen, wenn sie in einem wichtigen Bereich dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsleistungen des Geschäfts zu steigern. Das gelte auch, wenn es messbare Ziele und Fristen gebe, etwa für den Umweltschutz, und die Kooperation firmenweit angelegt ist.

Umgekehrt ist eine Zusammenarbeit auch für NGOs heikel. „Insbesondere die Kooperation mit multinationalen Unternehmen birgt die Gefahr, verdächtigt oder gar beschuldigt zu werden, eigene Ideale zu verraten“, sagt Bernward Geier, Direktor von Colabora, die die Rainforest Alliance (RA) beim Dialog mit anderen Organisationen unterstützt. Tchibo, Kraft Foods und Chiquita beziehen von Rainforest-Alliance zertifizierten landwirtschaftlichen Firmen Waren, Chiquita etwa die Bananen. Die Alliance muss immer wieder Kritik einstecken, sie sei nicht streng genug, auf zertifizierten Plantagen würden Arbeitsrechte verletzt. Manche NGO zieht die Reißleine, wenn das Reputationsrisiko zu groß wird. So stoppte der WWF Niederlande 2009 die Kooperation mit dem Versorger Essent, als der von RWE, Europas größtem CO2-Emittenten, übernommen wurde.


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Schlagworte

Definitionen, Greenwashing, Probleme, Unternehmenspolitik

Letzte Aktualisierung

12.11.2015 10:39

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