Aachener Stiftung Kathy Beys

Multistakeholder Initiativen

Überzeugender als pure Unternehmensbündnisse sind Initiativen von Unternehmen mit mehreren Interessengruppen. Denn sie bündeln mehr Know-how zu komplexen Fragen, die nicht nur durch eine Interessengruppe alleine beantwortet werden können. So versuchen sie tragbare Kompromisse für unterschiedliche Bedürfnisse zu schmieden. Da Nichtregierungsorganisationen besonders zeitig und oft fundiert gesellschaftliche Ansprüche erkennen und erforschen, bringen sie für Unternehmen, die sich diesen Ansprüchen stellen müssen, hoch relevantes Wissen und Kompetenzen ein. Nachfolgend eine Auswahl von Beispielen breit aufgestellter Initiativen, die teils branchenweit, teils branchenübergreifend viel ehrgeizige Aktivitäten Richtung mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft auslösten. Bei vielen ist der Weg zum Ziel aber auch noch lang.

Global Reporting Initiative (GRI)Die Leitlinien der 1997 gegründeten Global Reporting Initiative (GRI), die "GRI Guidelines", haben sich international als Standard der nachhaltigen Berichterstattung etabliert. Sie sind entstanden und werden weiterentwickelt in einer Kooperation von hunderten Unternehmen, Investoren, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern, Verbänden, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern. Weltweit berichten bereits mehr als 5600 Unternehmen, Verbände und Organisationen aus über 70 Ländern (September 2013) gemäß den Vorgaben für GRI-Nachhaltigkeitsberichte. Im Jahr 2011 veröffentlichten 2300 Organisationen entsprechende Berichte.
Die Leitlinien wurden inzwischen mehrfach aktualisiert, seit Mai 2013 liegt die Version „G4“ vor. Die neuen Leitlinien Global Reporting Initiative (GRI) vereinfachen teilweise die Berichterstattung über wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte, teilweise fordern sie von Unternehmen mehr Informationen. Die Wirtschaftlichkeit erhält größeres Gewicht. Das soll Analysten und Investoren mehr Qualität und Klarheit bieten und Firmenvergleiche erleichtern.
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Forest Stewardship Council (FSC)Das Forest Stewardship Council ist eine unabhängige, nicht gewinnorientierte Nichtregierungsorganisation, die 1993 etabliert wurde, um gegen die globale Entwaldung anzugehen und ein verantwortliches Waldmanagement voranzutreiben. Sie gilt als Pionier einer internationalen Multi-Stakeholder-Bewegung, die durch demokratische Prozesse Lösungen erarbeitet, um die globalen Wälder von dem großen Druck der Übernutzung zu schützen und für die lokalen, von Wäldern abhängigen Gemeinschaften lebenswerte Bedingungen zu sichern. Im FSC sind unterschiedlichste kleine und große Organisationen von der Nord- und der Südhalbkugel vertreten, um angemessene Umwelt- und Sozialstandard für ein auch wirtschaftlich akzeptables Waldmanagement zu definieren und Maßnahmen, Werkzeuge und Mittel zu identifizieren. Hierzu gehört die unabhängige und glaubwürdige Zertifizierung und Nachverfolgbarkeit von Hölzern. Das FSC hat nationale Repräsentanzen in mehr als 50 Ländern der Erde.
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Marine Stewardship Council (MSC)Das Marine Stewardship Councel entstand auf Anregung eines multinationalen Konzerns: Die niederländisch-britische Unilever hatte sich 1996 als größter Weißfischeinkäufer der Welt das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2005 allen Fisch aus bestandserhaltendem Fischfang zu erwerben. Der Konzern gab gemeinsam mit der Umweltorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) den Anstoß zur Gründung des unabhängigen Marine Stewardship Council (MSC). Es ist eine internationale, unabhängige und gemeinnützige Einrichtung, die Lösungen für das Problem der Überfischung vorantreibt. Dazu gehört, dass sie nachhaltige Fischfangbetriebe zertifiziert und kontrolliert – deren Produkte erhalten ein Siegel. Im September 2013 waren 212 Fischfangbetriebe rund um den Globus zertifiziert, 103 Fischereien in der Bewertung, und an die 50 Fischereien in der Vorbewertung. Der Konzern habe den Markt bewegt, loben Umweltschützer. Heute ist das MSC-Siegel ein weltweit etabliertes und nach Ansicht von unabhängigen Experten glaubwürdiges Siegel für nachhaltigen Fischfang.
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Roundtable for Sustainable Palmoil (RSPO)Am 2004 gegründeten „Roundtable for Sustainable Palmoil“ (RSPO), dem „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“, ist die gesamte Wertschöpfungskette vertreten: Produzenten, Rohstoffhändler, verarbeitende Industrie, Einzelhandel, Banken, Investoren und NGOs. Der RSPO hat ein Zertifizierungssystem aufgebaut und ein Beschwerdeverfahren für Kodexverstöße. Weil Mitglieder unter Beschuss gerieten, stellt die Organisation klar: „Die Mitgliedschaft bedeutet, dass Produzenten sich verpflichten, binnen weniger Jahre nachhaltig zu werden, aber nicht, dass alle Pflanzungen das Ziel schon erreichen.“ Produzenten müssen einen Plan vorlegen, bis wann sie zu hundert Prozent zertifiziert sein wollen. Die 2007 in Kraft getretenen Prinzipien und Kriterien des RSPO wurden nach fünfjähriger Praxis überarbeitet und weiterentwickelt und im Frühjahr 2013 verabschiedet. Einige Unternehmen haben Ziele und Zeitvorgaben veröffentlicht.
An der Initiative zeigt sich aber auch wie mühsam es ist, Standards durchzusetzen. So hatte sich die Produktion zertifizierten Palmöls bis 2010 auf 3,5 Mill. Tonnen zwar mehr als verdoppelt und der Anteil an der Weltproduktion war auf acht Prozent gestiegen, doch davon kamen nur 56 Prozent auf den Markt. Bis Mitte 2013 stieg der Weltmarktanteil zwar, jedoch nur auf rund 15 Prozent. Aus diesem Grund hat eine Gruppe von Großanlegern Unternehmen aufgefordert, die RSPO zu beachten.
Weil noch viel Überzeugungsarbeit bei Herstellern und Abnehmern nötig ist, richtet der RSPO gemeinsam mit engagierten Unternehmen und Ministerien nationale Foren ein. Seit September 2013 existiert ein Deutsches Forum des RSPO German Forum for Sustainable Palm Oil in Berlin. Dessen Ziel ist es, die Menge nachhaltigen Palmöls und Palmkernöls signifikant zu erhöhen und den deutschen, Schweizer und österreichischen Markt so rasch wie möglich zu hundertprozentigen darauf umzustellen.
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Business & Biodiversity KampagneMehrere Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) initiierten 2010 die Europäische Business & Biodiversity-Kampagne, geführt vom Global Nature Fund (GNF). Sie will die Wirtschaft für den aktiven Schutz der – auch ökonomisch – bedeutsamen biologischen Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen gewinnen. „Zunächst ist Sensibilisierung nötig, dann aber auch unternehmerische Selbstverpflichtungen, die bisher rar sind“, sagte zum Start GNF-Projektkoordinator Stefan Hörmann. Die von der Europäischen Union mitfinanzierte dreijährige Kampagne unterstützte bis April 2013 zahllose Unternehmen durch individuelle Biodiversitäts-Checks mit Maßnahmenvorschlägen, Workshops und Erfahrungsaustausch sowie den Aufbau eines Netzwerks. Die Kampagne wird seither laut Hörmann vom Global Nature Fund zusammen mit Partnern aus EU-Ländern weitergeführt. Sie möchte zeigen, wie Unternehmen nachhaltiges Biodiversitätsmanagement in ihre Strategien integrieren und damit dem Artensterben und dem Raubbau an der Natur entgegen wirken können.
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Cotton-made-in-AfricaCotton made in Africa ist eine Initiative unter dem Dach der "Aid by Trade Foundation", der von Dr. Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group gegründeten Stiftung zur Armutsbekämpfung und zur Förderung des Absatzes nachhaltig erzeugter Baumwolle aus Afrika. In Form von Public Private Partnerships (PPP) arbeitet die Initiative in einem Netzwerk von Stakeholdern und verschreibt sich selber den Prinzipien einer Social Business Initiative , der Lösung eines gesellschaftlichen Problems. Partner der Initiativen sind neben der Trägerstiftung „Aid by Trade Foundation“ u.a. das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die Umweltorganisationen NABU und Umweltorganisation WWF, die Deutsche Welthungerhilfe sowie zahlreiche Textil- und Einzelhandelsunternehmen, darunter Tchibo, Puma und Rewe. Zudem sind lokale Baumwollorganisationen, Vertretungen der Kleinbauern und anderer Akteure aus den Anbauregionen eingebunden. Afrikanische Produzenten können vom Baumwollanbau allein kaum leben. Ziel der Initiative ist, dass in der afrikanischen Baumwollproduktion nachhaltige Anbaumethoden und eine faire Entlohnung praktiziert werden, damit die Bauern durch die größere Nachfrage ihrer Produkte und die verbesserte Produktivität bessere Lebensbedingungen erarbeiten können. In Pilotprojekten hat sich diese Erwartung bereits bestätigt. Zudem wächst die Gruppe großer Unternehmen, die Baumwolle und Produkte mit dem Label „Cotton made in Africa“ produziert und vertreibt. Derzeit arbeitet die Initiative mit 270.000 Kleinbauern und verbessert so den eigenen Angaben zufolge die Lebensbedingungen von ca. 1,6 Millionen Menschen in verschiedenen Ländern West- und Ostafrikas Ende August 2013 haben die Aid by Trade Foundation (AbTF) mit der Better Cotton Initiative (BCI) in Paris einen langfristigen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Ziel ist, den Absatz nachhaltiger afrikanischer Baumwolle auf dem Weltmarkt sowie die wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit der Kleinbauern zu steigern sowie die Lebensbedingungen der Baumwollbauern und ihrer Familien zu verbessern. Anfang 2013 ermittelte eine Studie des Beratungsunternehmen Systain zum ökologischen Fußabdruck von Cotton made in Africa (CmiA), dass diese-Baumwolle einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck hat als konventionell erzeugte Baumwolle - zum Beispiel werden über 70 Prozent Treibhausgas-Emissionen eingespart.
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Initiative, Stakeholder, Stakeholder-Dialoge, Verband/Verbände

Letzte Aktualisierung

07.10.2015 11:26

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