Aachener Stiftung Kathy Beys

Wachstumstheorien

Die Wachstumstheorie ist ein Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre und untersucht Ursachen und Auswirkungen von Wachstum. Wirtschaftliches Wachstum bezeichnet in der Volkswirtschaftslehre die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes und wird zumeist mit der quantitativen Zunahme des Bruttoinlandsprodukts gleichgesetzt. Es finden sich jedoch auch starke kritische Positionen, die dieser Gleichsetzung zuwider laufen.

Die ersten Theorien zum Wachstum entstanden Ende des 17. Jahrhunderts in der Zeit des Merkantilismus. Im 18. und 19. Jahrhundert folgte die klassische Wachstumstheorie, die unter anderen durch Smith, Ricardo, Malthus und Marx geprägt wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhundert wird die Wachstumstheorie durch den Schumpeterianismus, und den Keynsianismus.
Für Schumpeter (1912) waren Innovationen und „kreative Zerstörung“ der entscheidende Motor des Wirtschaftswachstums. Von „kreativer Zerstörung“ spricht man, wenn durch Innovationen und neue Ideen Konkurrenten vom Markt verdrängt werden. Diese Theorie wurde zur Grundlage für weitere Forschungsrichtungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

In der keynesianischen Theorie, die sich als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre etablierte, ist das private Investitionsverhalten einer der Haupttriebfedern des Wachstumsprozesses und bestimmt damit die BIP Wachstumsraten (Stockhammer, 2005). Die Orientierung lag eher auf konjunkturellen Veränderungen und nicht auf langfristiges Wachstum.

Die moderne Wachstumstheorie fußt auf Konzepten, die erst nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Modellen und Ansätzen, die die Ursachen und Treiber des Wachstums analysieren. Hier werden die wesentlichen drei Strömungen beschrieben: Postkeynesianische Wachstumstheorie, Neoklassische Wachstumstheorie und Endogene Wachstumstheorie.

Postkeynesianische Wachstumstheorie
Die erste dieser modernen Wachstumstheorien geht auf das postkeynesianische Harrod-Domar-Modell zurück. Zu den neueren Postkeynesianischen Theorien zählen Modelle von Kalecki, Robinson und anderen. Harrod (1939) und Domar (1946) leiten unabhängig voneinander aus der keynesianischen Beschäftigungstheorie Bedingungen für ein Gleichgewicht zwischen Sparen und Investieren ab. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann ein makroökonomisches Gleichgewicht erreicht werden. Im Gegensatz zu den NeoklassikerInnen sehen PostkeynesianerInnen solche Gleichgewichte als instabil. Daher fordern sie bei einer Abweichung vom Wachstumspfad einen stabilisierenden Eingriff vom Staat durch antizyklische Fiskalpolitik.

Die Postkeynesianische Wachstumstheorie geht im Unterschied zur neoklassischen Theorie davon aus, dass Wachstum von Investitionen getrieben ist („investment-driven“): Sie lehnt Say’s Law (Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage) ab und rückt stattdessen die effektive Nachfrage in den Vordergrund.

Neoklassische Wachstumstheorie
In den 50er Jahren entstand die neoklassische Wachstumstheorie, deren Modelle auf den neoklassischen Grundannahmen (flexible Preise, effiziente Märkte, Say’s Law) und der neoklassischen Produktionsfunktion (konstante Skalenerträge, abnehmende Grenzerträge des Kapitals, perfekte Substitution von Kapital und Arbeit) basieren. Die zwei grundlegenden Ansätze unterscheiden sich in Hinblick auf die Sparentscheidung.

In die Klasse der exogenen Ersparnisbildung fällt das Grundmodell der neoklassischen Wachstumstheorie von Solow (1956), bei dem die Sparquote der Akteure – jener Anteil des Einkommens, der nicht konsumiert wird – als gegeben angenommen wird. Anders bei der zweiten Klasse, bei der die Sparentscheidung endogen im Modell über die nutzenoptimale Entscheidung der Akteure generiert wird.

Zu dieser Klasse zählen das Modell von Ramsey (1928) sowie die Generationenmodelle von Samuelson (1958) und Diamond (1965).

Zentraler Wachstumsmechanismus ist bei allen neoklassischen Modellen die Akkumulation von Kapital, die durch die Sparentscheidung bestimmt wird. Somit ist die neoklassische Wachstumstheorie „savings-driven“. Entscheidend ist die Wachstumsrate der Kapitalintensität (Kapital pro ArbeiterIn), die langfristig durch die Möglichkeiten des Sparens und somit der Akkumulation begrenzt ist.

Durch die Kapitalakkumulation bewegt sich die Volkswirtschaft entlang eines Wachstumspfads zu einem stabilen Gleichgewicht – zum Steady State. Dort wachsen Output und Kapital mit konstanter Rate, in den meisten Modellen mit derselben Wachstumsrate wie jener der Bevölkerung, wodurch die Kapitalintensität (Kapital pro Kopf) konstant ist. Langfristiges Wachstum der Kapitalintensität ist nur durch eine Verbesserung der Produktionstechnik möglich. Somit ist in den neoklassischen Wachstumstheorien technischer Fortschritt die entscheidende Determinante für Wachstum. Da technischer Fortschritt nicht im Modell erklärt ist, sondern als exogener Parameter einfließt, werden diese Modelle auch exogene Wachstumsmodelle genannt.

Endogene Wachstumstheorie
Da bei den bisher behandelten Wachstumstheorien die entscheidenden Faktoren für langfristiges Wachstum exogen, d.h. nicht im Modell, bestimmt werden, riefen Mitte der 80iger Jahre Romer (1986) und Lucas (1988) die endogene Wachstumstheorie ins Leben. Sie versucht langfristiges Wachstum ohne Rückgriff auf exogene Prozesse, wie die Zunahme der Arbeitskräfte oder des technischen Fortschritts, endogen – aus dem Modell heraus – zu erklären.

Innerhalb dieser endogenen Wachstumstheorien lassen sich zwei Modellgruppen unterscheiden. Die erste Gruppe verwendet Mechanismen, die die abnehmenden Grenzerträge des Kapitals, eine der Grundfunktionen der neoklassischen Produktionsfunktion, überwinden. Dadurch kann im Modell unabhängig von exogen gegebenem technologischem Fortschritt Wachstum generiert werden.

Wichtige Grundmodelle sind das AK-Modell, das Uzawa-Lucas-Modell und Learning-by-doing-Ansätze. Die zweite Gruppe versucht einen der Wachstumstreiber – den technologischen Fortschritt – aus dem Modell heraus und somit endogenisiert zu erklären. Dazu wird in den Modellen von Romer sowie Aghion und Howitt ein Forschungs- und Entwicklungssektor modelliert, der bestehende Technologien ständig verbessert und somit zu langfristigem Wachstum führt (siehe auch Wachstumsmodelle).

Dokumente
"Wachstum im Wandel" Dossier

Interne Links
Externe Links
Economic Growth Resources (2012): Blog über aktuelle Veröffentlichung zu Wachstumsanalysen.

Literaturhinweise
  • Acemoglu, D. (2008): Introduction to Modern Economic Growth. Princeton University Press: Princeton.
  • Bretschger, Lucas (2004): Wachstumstheorie. München: Oldenbourg.
  • Dutt, A. K. (2003): New growth theory, effective demand, and post Keynesian dynamics. In: Salvadori, N. (Hrsg.): Old and New Growth Theories: An Assessment. Edward Elgar, Cheltenham.
  • Frenkel, M., Hemmer, Hans-R. (1999): Grundlagen der Wachstumstheorie. Franz Vahlen: München.
  • Maußner, A., Klump, R. (1996): Wachstumstheorie. Springer: Berlin Heidelberg.

Schlagworte

Wachstum, Wachstumstheorie

Letzte Aktualisierung

12.11.2015 10:06

Diesen Artikel: