Aachener Stiftung Kathy Beys

Wachstumstreiber

Was sind die bedeutendsten Treiber des Wirtschaftswachstums? Auf diese Frage gibt es in der Ökonomie viele Antworten. Eine wichtige Rolle für das Wirtschaftswachstum und die Höhe des Bruttoinlandsprodukts spielen Angebot und Nachfrage. Nur wenn das Angebot und die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen höher sind als im letzten Jahr, wächst das Bruttoinlandsprodukt. Betrachtet von der Angebotsseite ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt aus der Summe der Beiträge der einzelnen Wirtschaftsbereiche plus Gütersteuern weniger Gütersubventionen. Das BIP lässt sich aber auch von der Nachfrageseite als Summe von Konsum, Investitionen, Staatsausgaben und Exporte abzüglich Importe darstellen. Wachstumstreiber gibt es sowohl auf der Angebots- als auf der Nachfrageseite. Die wichtigsten Treiber Konsum, Arbeit, Technischer Fortschritt und Innovation, Energie- und Ressourcenverfügbarkeit, Kapitalbildung, Globaler Handel und Finanz und Institutionen werden im Folgenden beschrieben. Wenn die „Treiber“ versagen, droht eine Wachstumsschwäche.

Konsum
Ein wichtiger Wachstumstreiber ist der Konsum, der die Ausgaben der privaten Haushalte für Endprodukte und Dienstleistungen umfasst.

In einem Wirtschaftssystem, das auf Wachstum ausgerichtet ist, wird daher viel für eine steigende Nachfrage getan: Werbung, Schaffung von Neuheiten, Weckung von Bedürfnissen bis hin zur geplanten Obsoleszenz (schnellere Veralterung bzw. Abnutzung eines Produktes, um einen früheren Neukauf auszulösen).

Investitionen
Wenn die Wirtschaft in einem Jahr mehr produziert, als die Bevölkerung für ihre Grundversorgung benötigt, kann das überschüssige Sozialprodukt als privates und öffentliches Kapital angespart werden. Das Bruttoinlandsprodukt ist eine Flussgröße, die den Wert der Produkte und Dienstleistungen, die in einem Jahr erzeugt und verbraucht werden, erfasst. Sobald in einem Land mehr produziert als verbraucht wird, kann der Rest gespart und investiert werden.

Dieser Rest fließt in Güter, die über einen langen Zeitraum genutzt werden können: Fabriken, Maschinen, Immobilienbestand, Computer oder andere Sachgüter. Auch die öffentliche Hand tätigt große Investitionen in Transportinfrastruktur (Straßen, Brücken, Eisenbahn), Energienetzwerke (Stromnetz, Wasserleitungen, Abwassersystem) und Kommunikationssysteme (Telefonnetzwerke). Das lässt die Bestandsgröße, das Kapital, von Jahr zu Jahr wachsen.

Staatsausgaben
Die Politik kann über staatliche Ausgaben die Nachfrage steigern, vor allem, wenn die private Nachfrage zurück geht. Wenn diese steuerfinanziert sind, sinkt vermutlich die private Nachfrage. Das ist vor allem der Sinn von Konjunkturprogrammen. Vor allem schuldenfinanzierte Staatsausgaben können das Wachstum beflügeln, solange die aufgenommenen Kredite nicht zurück gezahlt werden.

Exporte
Neben der inländischen Nachfrage können Exporte (jedenfalls soweit sie Importe übersteigen) die Produktion anregen und damit das Wachstum anregen. Dies gilt natürlich nur für einzelne Länder und Regionen: global gesehen gleichen Importe und Exporte einander aus.
Nationen und Unternehmen profitieren vom internationalen Handel auf Grund von Skaleneffekten. Produkte können in größerem Umfang produziert werden, weil nicht nur auf dem inländischen Markt sondern auch international gehandelt wird. Diese Ausweitung der Produktion führt bei manchen Gütern zu positiven Skalenerträgen, das heißt, dass bei einer größeren Produktionsmenge die Stückkosten sinken. Gerade bei Sektoren, die hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben haben, bringen große Produktionsmengen Wettbewerbsvorteile.
Die Globalisierung hat neben einem höheren Handel an Gütern und Dienstleistungen auch zu einem Ausweiten des Banken- und Finanzsektors geführt. Der Finanzsektor ist durch die globale Verfügbarkeit von Kommunikationstechnologien seit den 1980er Jahren explodiert. Diese Entwicklung hat das Geldsystem neu gestaltet und zu einem Wachstum von internationalen Krediten, Depots, Portfolios und elektronischen Handel geführt.

Arbeit
Von der Angebotsseite betrachtet, ist Arbeit ein entscheidender Wachstumstreiber. Das Bruttoinlandsprodukt wächst, wenn die Gesamtsumme der geleisteten Arbeitsstunden steigt, das ist der Fall wenn mehr Menschen beschäftigt sind bzw. mehr Arbeitsstunden geleistet werden, oder wenn effizienter und damit produktiver erzeugt wird, also die Arbeitsproduktivität steigt.

Technischer Fortschritt und Innovation
Technischer Fortschritt als kontinuierlicher Prozess von kleinen und größeren Verbesserungen ist ein entscheidender Bestandteil der Wachstumsdynamik. Technischer Fortschritt erhöht die Produktivität, was bedeutet, dass mit einem gegebenen Arbeist- und Kapitaleinsatz mehr Güter und Dienstleistungen produziert werden können. Verbessert werden kann die Produktivität von Arbeit, von Kapital oder von Energie und Material, In der Vergangenheit haben Innovationen wie die Dampfmaschine, Elektrizität, Antibiotika, das Telefon sowie Informations- und Kommunikationstechnologie die Produktivität entscheidend erhöht.

Energie- und Ressourcenverfügbarkeit
Die außerordentlichen Wachstumsraten seit der industriellen Revolution wurden angetrieben von der billigen Verfügbarkeit von fossilen Energien, welche billigen Ressourcenabbau, billige Produktion und Erhöhung der Landwirtschaftserträge ermöglichte. Neben Öl und Gas sind aber auch andere natürliche Ressourcen wie Ackerland, Wälder, Wasser und Bodenschätze entscheidend für wirtschaftliche Aktivitäten. Auch wenn ressourcenarme Länder wie Japan ihre Produktion auf arbeits- und kapitalintensive Sektoren stützen, hängen langfristig alle Volkswirtschaften von Energie und natürlichen Ressourcen ab.

Ein wesentlicher Faktor des hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs ist, dass die Marktpreise für Energie und Ressourcen nicht den wahren Kosten entsprechen. So sind zum Beispiel die Kosten der Umweltverschmutzung, die durch die Verbrennung von Öl entstehen, nicht im Preis von Öl enthalten. Solange die negativen Folgen der Umweltnutzung nicht den VerursacherInnen als Kosten angelastet werden, besteht kein hinreichender wirtschaftlicher Anreiz für einen sparsamen Umgang mit unserer Umwelt. Die Internalisierung der externen Kosten für die Belastung der Umwelt zwingt Unternehmen zu Effizienzsteigerungen beim Ressourceneinsatz, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. In Folge wird die Umwelt nur soweit beansprucht, wie es sich finanziell lohnt.

Kapital
Wachstum erfordert auch Kapital. Investitionen werden vorwiegend über Kredite finanziert bzw. üner Eigenkapital, das über Gewinne von Unternehmen gebildet wird.
Dieses Kapital ist der Grundstein für wirtschaftliches Handeln. Es ermöglicht eine Steigerung der Arbeitsproduktivität – mehr Güter können in derselben Arbeitszeit hergestellt werden. Somit ist Wachstum ein sich selbst verstärkender Prozess: mehr Wachstum schafft mehr Kapital, das wiederum mehr Wachstum ermöglicht.

Institutionen
Eine der wichtigsten und auch subtilsten Wachstumstreiber sind Institutionen. Seit der industriellen Revolution ist Fortschritt mit Wirtschaftswachstum verknüpft. Die vorherrschende Meinung ist, dass Zufriedenheit nicht in Sinnstreben und innerer Entwicklung gefunden, sondern sofort durch die Steigerung von sozialem Status und den damit verbundenen Konsumgütern realisiert werden kann. In der Verfolgung dieser materiellen Ziele wurden in den letzten Jahrzehnten Institutionen gebildet, die von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abhängig sind und sich somit auf eine Maßzahl für die Produktion an Waren und Dienstleistungen anstatt auf die Steigerung von Wohlbefinden ausrichten. So benötigt die Politik Wirtschaftswachstum, um durch die Staatseinnahmen öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitzustellen und den Staatsschuldendienst aufrecht zu erhalten. Das Ziel der Wirtschaft und der Finanzinstitutionen ist Gewinnsteigerung, was Hand in Hand mit Wirtschaftswachstum geht. Diese und andere Institutionen haben großes Interesse daran, das Wirtschaftswachstumsparadigma zu verfechten und sind somit entscheidende Wachstumstreiber.

Dokumente
"Wachstum im Wandel" Dossier

Interne Links
Literaturangaben
Ax, Ch., Hinterberger, F. (2013). Wachstumswahn. Was uns in die Krise führt – und wie wir wieder herauskommen.
Samuelsen, P. A. and Nordhaus, W. D. (2001): Economics. Seventeenth Edition, McGraw-Hill, New York.
Pirgmaier, E. und Hinterberger, F. (2012): What kind of growth is sustainable? A presentation of arguments. In: Hinterberger, F., Pirgmaier, E., Freytag, E., Schuster, M. (Hrsg.): growth in transition. Earthscan, New York.
Hinterberger, F., Pirgmaier E., Stocker, A., Ax, C. (2012): Policy Paper 3: Wachstum und Beschäftigung. Welche Spielräume hat Beschäftigungspolitik unter den Bedingungen unsicherer Wachstumsprognosen und wie kann Beschäftigungspolitik zu mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen? http://www.wachstumimwandel.at/engagement/policy-papers/

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Letzte Aktualisierung

12.11.2015 10:05

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