Aachener Stiftung Kathy Beys

Starke und schwache Nachhaltigkeit

Es existieren unterschiedliche Vorstellungen über die Gewichtung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit. In der Diskussion um Nachhaltigkeit, vor allem bei der Bewertung der verschiedenen Nachhaltigkeitsmodelle, wird zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit unterschieden.

schwache Nachhaltigkeit
Als schwache Nachhaltigkeit bezeichnet man die Vorstellung, dass natürliche Ressourcen durch Human- und Sachkapital ersetzt werden können. Für Vertreter dieser Form von Nachhaltigkeit ist ein System nachhaltig, solange das Gesamtkapital (bestehend aus natürlichen Ressourcen, Human- und Sachkapital) gleichbleibt oder wächst. Ein Rückgang an Naturkapital, also der Abbau von Rohstoffen oder der Rückgang natürlicher Lebensräume ist auch dann noch nachhaltig, wenn dieser durch steigendes Kapital in den anderen Bereichen ausgeglichen wird. In diesem System steht nicht die Bewahrung der Umwelt im Vordergrund, sondern die Aufrechterhaltung und Steigerung des Gesamtwohlstandes. Deswegen wird schwache Nachhaltigkeit auch als anthopozentrisch bezeichnet.
Diese Substituierbarkeit (Austauschbarkeit, Ersetzbarkeit) zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit wird nach kritischen Stimmen durch das Drei-Säulen-Modell dargestellt. D.h. Ökologie wird gleichgesetzt mit Ökonomie und der Sozialen Dimension. Siehe auch hier im Lexikon.

starke Nachhaltigkeit
Als starke Nachhaltigkeit wird der Ansatz bezeichnet, in dem die Ökologie über die anderen Dimensionen, wie Ökonomie, Kultur, Soziales gestellt wird, da sie die Grundlage für diese bildet. Dies wird in verschiedenen Nachhaltigkeitsmodellen dargestellt (Ein-Säulen-Modell, Pyramidenmodell, gewichtetes Drei-Säulen-Modell). Diese Ansicht wird von vielen Experten vertreten, die die natürlichen Ressourcen als Grundvoraussetzung für alle anderen Entwicklungsfelder ansehen. Die Substituierbarkeit von Ressourcen ist auch in diesem System möglich, jedoch nur zwischen Human- und Sachkapital und innerhalb verschiedener natürlicher Ressourcen. Ein Austausch oder Ersetzen von natürlichen Ressourcen durch Human- oder Sachkapital ist hier nicht möglich. Dem Naturkapital kommt hier eine Sonderrolle zu und es ergeben sich folgende Regeln zum Umgang mit natürlichen Ressourcen:
  • Erneuerbare Ressourcen dürfen nur in dem Maße genutzt werden, in dem sie sich regenerieren.
  • Erschöpfbare Ressourcen (wie fossile Energiequellen) dürften in diesem System also gar nicht genutzt werden, da sie sich nicht selbst erneuern können und somit das Naturkapital verringern würden oder nur in dem Maße genutzt werden, wie andere physisch und funktionell gleichwertige natürliche erneuerbare Ressourcen geschaffen werden können.
  • Die Senkenfunktion der Umwelt darf nur so weit genutzt werden, wie die Aufnahmekapazität der Umweltsysteme nicht überschritten wird und Emissionen nicht abbaubarer Schadstoffe sind unabhängig von dem Ausmaß, in dem noch freie Tragekapazitäten vorhanden sind, zu minimieren.
Vergleich von starker, schwacher und ausgewogener Nachhaltigkeit
schwache Nachhaltigkeitausgewogene Nachhaltigkeitstarke Nachhaltigkeit
  • rein anthropozentrisch
  • Harmonie zwischen Wachstum und Umwelt
  • Naturkapital voll substituierbar
  • pro Wachstum (mit moderater Umweltpolitik)
  • Strategie: Effizienz durch Technik, Wachstum und Markt
  • konventionelle Kosten-Nutzen-Analyse
  • Vertreter: neoklassische Ökonomen (Wachstumsoptimisten)
  • „öko-anthropozentrisch“
  • „positive Wohlstandswende“ durch Umweltpolitik möglich
  • Naturkapital teilweise substituierbar
  • pro umweltfreundliches/nachhaltiges Wachstum
  • Strategie: ökologisches Konsummuster & Effizienz durch Technik , Politik und Markt
  • ökologisch erweiterte Kosten-Nutzen-Analyse
  • Vertreter: u.a. Sozialwissenschaftler (Wachstumsoptimierer)
  • ökozentrisch
  • Konflikt zwischen Wachstum und Umwelt
  • Naturkapital nicht substituierbar
  • nachhaltiges Wachstum nicht möglich
  • Strategie: Wachstumsstop, Verzicht & Effizienz durch Individuum und Politik
  • kontra Kosten-Nutzen-Analyse
  • Vertreter: Ökologische Ökonomen, Ökologen (Wachstumspessimisten)

(Quelle: Steurer, R.: Paradigmen der Nachhaltigkeit. In: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht 24.2001/4, S.537-566)



Dokumente
Ralf Döring: "Wie stark ist schwache, wie schwach starke Nachhaltigkeit?"

Interne Links
Externe Links
Armin Grunwald/Jürgen Kopfmüller: Nachhaltigkeit
Antonietta Di Giulio: Die Idee der Nachhaltigkeit im Verständnis der Vereinten Nationen. Anspruch, Bedeutung und Schwierigkeit.

Schlagworte

Definitionen, Effizienz, Grenzen des Wachstums, Wachstum

Letzte Aktualisierung

14.10.2015 10:24

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