Aachener Stiftung Kathy Beys

Schutz des Menschen und der Umwelt: Ziele und Rahmenbedingungen

Der deutsche Bundestag sowie die verschiedenen Parlamente der einzelnen Bundesländer können Enquete-Kommissionen berufen. Diese Kommissionen sollen sich überparteilich mit Themen auseinandersetzen und gemeinsam Antworten und Handlungsstrategien erarbeiten, die dann gemeinsam von allen Fraktionen getragen werden können.

Die Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundestages hatte in ihrem Abschlussbericht empfohlen, dass die Arbeit in der 13. Legislaturperiode fortgeführt werden sollte. Auf Antrag fast aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen (außer PDS) wurde am 1.6.1995 die Enquete-Kommission Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung eingesetzt. Als Schwerpunkte ihrer Arbeit wurden beschlossen:
  • Erarbeitung von Umweltzielen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung
  • Erarbeitung ökonomischer und sozialer Rahmenbedingungen für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung
  • Notwendigkeit gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technischer Innovationen
  • Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung.
Die Kommission sieht für das Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung drei Dimensionen, für die sie jeweils grundlegende Regeln vorschlägt, ableitet oder von anderen übernimmt:
  • die ökologische Dimension
  • die ökonomische Dimension
  • die soziale Dimension
Diese drei Dimensionen sind nach Ansicht der Kommission in ein Verfahren zu integrieren, das nicht mehr, wie früher, nur einen Teilbereich betrachtet und die anderen ausblendet. Dazu müssen die Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen zwischen den drei Dimensionen und der Zielsetzung ermittelt und beachtet werden.

Die ökologische Dimension
Die Enquete-Kommission des 13. Bundestages übernimmt die vier grundlegenden Regeln zum Management von Stoffströmen ihrer Vorgänger-Kommission und ergänzt eine fünfte Regel, die der SRU in seinem Umweltgutachten 1994 (weitere SRU-Gutachten hier im Lexikon) eingeführt hat. Die fünf Regeln lauten:
  1. Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll deren Regenerationsrate nicht überschreiten. Dies entspricht der Forderung nach Aufrechterhaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit, d.h. (mindestens) nach Erhaltung des von den Funktionen her definierten ökologischen Realkapitals.
  2. Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird.
  3. Stoffeinträge in die Umwelt sollen sich an der Belastbarkeit der Umweltmedien orientieren, wobei alle Funktionen zu berücksichtigen sind, nicht zuletzt auch die "stille" und empfindlichere Regelungsfunktion.
  4. Das Zeitmaß anthropogener Einträge bzw. Eingriffe in die Umwelt muss im ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktionsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen.
  5. Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden.
Die ersten vier grundlegenden Regeln stellen vor allem auf die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie die Nutzungsfähigkeit von Naturgütern ab. Die fünfte Regel knüpft zugleich an den ersten Grundsatz der Rio-Deklaration und an den Bericht der Enquete-Kommission der 12. Legislaturperiode an, in dem die menschliche Gesundheit als wichtiges Kriterium für ökologisches Handeln angegeben wird.

In seinem Sondervotum schlägt der Abgeordnete Prof. Dr. Jürgen Rochlitz folgende fünfte Regel vor:
  1. Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit und für den natürlichen Bestand der biologischen Arten und ihrer Diversität sowie für die Umwelt als Ganzes sind zu vermeiden.
Die ökonomische Dimension
Als Anregung für die weitere Diskussion schlägt die Enquete-Kommission folgende noch nicht abschließend diskutierte Regeln vor, die aus ökonomischer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten.
  1. Das ökonomische System soll individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse effizient befriedigen. Dafür ist die Wirtschaftsordnung so zu gestalten, dass sie die persönliche Initiative fördert (Eigenverantwortung) und das Eigeninteresse in den Dienst des Gemeinwohls stellt (Regelverantwortung), um das Wohlergehen der derzeitigen und künftigen Bevölkerung zu sichern. Es soll so organisiert werden, dass es auch gleichzeitig die übergeordneten Interessen wahrt.
  2. Preise müssen dauerhaft die wesentliche Lenkungsfunktion auf Märkten wahrnehmen. Sie sollen dazu weitestgehend die Knappheit der Ressourcen, Senken, Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen wiedergeben.
  3. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind so zu gestalten, dass funktionsfähige Märkte entstehen und aufrechterhalten bleiben, Innovationen angeregt werden, dass langfristige Orientierung sich lohnt und der gesellschaftliche Wandel, der zur Anpassung an zukünftige Erfordernisse nötig ist, gefördert wird.
  4. Die ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und ihr Produktiv-, Sozial- und Humankapital müssen im Zeitablauf zumindest erhalten werden. Sie sollten nicht bloß quantitativ vermehrt, sondern vor allem auch qualitativ ständig verbessert werden.
Die soziale Dimension
Als Anregung für die weitere Diskussion schlägt die Enquete-Kommission folgende noch nicht abschließend diskutierte Regeln vor, die aus sozialer Sicht der Nachhaltigkeit beachtet werden sollten.
1. Der soziale Rechtsstaat soll die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie Entfaltungschancen für heutige und zukünftige Generationen gewährleisten, um auf diese Weise den sozialen Frieden zu bewahren.
2a) Jedes Mitglied der Gesellschaft erhält Leistungen von der solidarischen Gesellschaft:
  1. entsprechend geleisteter Beiträge für die sozialen Sicherungssysteme
  2. entsprechend Bedürftigkeit, wenn keine Ansprüche an die sozialen Sicherungssysteme bestehen.
2b) Jedes Mitglied der Gesellschaft muss entsprechend seiner Leistungsfähigkeit einen solidarischen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
3. Die sozialen Sicherungssysteme können nur in dem Umfang wachsen, wie sie auf ein gestiegenes wirtschaftliches Leistungspotential zurückgehen.
4. Das in der Gesellschaft insgesamt und in den einzelnen Gliederungen vorhandene Leistungspotential soll für künftige Generationen zumindest erhalten werden.

Weiteres
In einem umfassenden Sondervotum hat der Abgeordnete Prof. Jürgen Rochlitz dieses Modell zu einem "magischen Viereck" von Ökologie, Sozialwesen, Ökonomie, Kultur erweitert.
Die Kommission hat ihre weiteren Arbeiten auf drei Schwerpunkte konzentriert:
  • Problembereich "Boden": hier wurde ein umfassender Katalog von Umweltqualitäts- und -handlungszielen erstellt. Nachhaltig zukunftsverträgliche Nutzung von Böden heißt, ihre Funktionsfähigkeit dauerhaft zu erhalten.
  • Beispielfeld Bauen und Wohnen: hier hat die Kommission ein Zieldreieck entworfen, das die ökologischen (Flächen- und Materialverbrauch), ökonomischen (Bauwirtschaft) und sozialen Dimensionen (grundlegendes menschliches Bedürfnis) in einem Leitbild Wohnen verknüpfen soll.
  • Beispielfeld Informations- und Kommunikationstechnik: auch hier hat die Kommission ein Zieldreieck entworfen, das die ökologischen (Flächen- und Materialverbrauch), ökonomischen (Wettbewerb, Fachkräftemangel) und sozialen Dimensionen (informationelle Grundversorgung, Arbeitsplätze) verknüpfen soll.
  • Innovationen: hier versucht die Kommission, erste Impulse zur Förderung von Innovationen im Sinne einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung zu.
Dokumente
Abschlussbericht
Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages Schnittstellen zwischen Politik und Wissenschaft

Interne Links
Externe Links
Deutscher Bundestag

Schlagworte

Bauen, Enquete-Kommission

Letzte Aktualisierung

14.10.2015 12:01

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