Aachener Stiftung Kathy Beys

Vegetarismus

Bedeutung des Begriffs
Vegetarismus ist eine Art der Ernährung bei der Menschen bewusst auf den Verzehr von Fleisch und Fisch verzichten. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Formen des Vegetarismus.
Für manche Vegetarier ist die vegetarische Küche eine ihnen zusagende Ernährungsweise. Andere wiederum fassen den Vegetarismus als alternative Lebensweise auf und machen daraus ein weltanschauliches Konzept und Programm. Meist geht es dabei um ein Streben nach Gesundheit oder um ethische Ideale. Der Anteil der Vegetarier an der Gesamtbevölkerung ist in der westlichen Welt im Vergleich zu den östlich gelegenen Weltteilen geringer. Für Indien schätzt man beispielsweise, dass etwa 30 bis 40 % der dortigen Bevölkerung vegetarisch leben.

Die Geschichte des Vegetarismus
Der Vegetarismus entstand in Indien und unabhängig davon im antiken griechischen Kulturkreis (östlicher Mittelmeerraum, Süditalien). In beiden Regionen war er von Anfang an ein Bestandteil religiös-philosophischer Bestrebungen.

Antike
In der Antike der Vegetarismus als Enthaltung vom Beseelten bezeichnet. Er wurde durch eine geringe Anzahl an Anhängern beschränkt. Der größte Teil der Bevölkerung ernährte sich notgedrungen fleischarm, da sie sich Fleisch nur gelegentlich leisten konnte; Fisch hingegen war ein beliebtes Volksnahrungsmittel.

In Europa trat der Vegetarismus erstmals im 6. Jahrhundert v. Chr. auf. Vegetarier nannten sich "Orphiker", eine religiöse Bewegung, die sich damals in Griechenland verbreitete. Inhalt der Bewegung war der Verzicht auf Eier und auf die damals allgemein üblichen rituellen Tieropfer.

Die antiken Vegetarier betrachteten Fleischnahrung als nachteilig für ihre philosophischen Bestrebungen. Die größte Motivation war ethischen Ursprungs. So verwarfen die Vegetarier Tieropfer und betonten die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier (während ihre Gegner die Unterschiede hervorhoben). Die Frage, ob es ethische Pflichten gegenüber den Tieren gibt, wurde kontrovers diskutiert. Oft wurde der Vegetarismus auch mit religiösen Überzeugungen verbunden, zu denen auch die Seelenwanderungslehre gehörte.

Einen besonders hohen Anteil von Vegetariern fand man unter den Platonikern. In den anderen Philosophenschulen (Peripatetiker, Stoiker, Epikureer) hingegen war der Anteil sehr klein oder nicht vorhanden. So waren die Stoiker waren fast alle antivegetarisch. Sie begründeten ihre Überzeugung mit der Vernunftlosigkeit der Tiere.


Mittelalter
Im Urchristentum der apostolischen Zeit gab es Befürchtungen, das Fleischessen könne zu einer kultischen Verunreinigung führen. Der Apostel Paulus wandte sich nachdrücklich gegen diese Auffassung.
Unter den spätantiken Christen und in der mittelalterlichen Kirche verzichteten viele Mönche und Einsiedler im Rahmen der Askese auf Fleischverzehr. Den Benediktinern gestattete ihre Ordensregel das Fleisch vierfüßiger Tiere nur im Krankheitsfall zu sich zu nehmen. Fisch und Geflügel waren ihnen jedoch allzeit erlaubt. Viele andere Ordensregeln verboten ebenso den Verzehr von Fleisch und wurden in manchen Fällen sogar auf Geflügel ausgedehnt. Fisch hingegen wurde jedoch nie in die Verbote miteinbezogen. Im mittelalterlichen Vegetarismus ging es den Mönchen und Nonnen um bescheidene Lebensweise, freiwillige Entbehrung und Abtötung der Begierden. Für einen ethisch motivierten Vegetarismus aus Rücksichtnahme auf die Tiere gibt es im kirchlichen Christentum der Antike und des Mittelalters keine Belege.


Frühe Neuzeit
Erst in der frühen Neuzeit traten wieder prominente Persönlichkeiten für einen ethisch begründeten Vegetarismus ein. Zu ihnen zählten Leonardo da Vinci (1452-1519) und Pierre Gassendi (1592-1655). Der führende Theoretiker des Vegetarismus im 17. Jahrhundert war der Engländer Thomas Tryon (1634-1703). Andererseits vertraten einflussreiche Philosophen wie René Descartes und Immanuel Kant die Auffassung, dass es keine ethischen Pflichten gegenüber der Tierwelt geben könne.

Entwicklung im 19. Jahrhundert:
In England war die Bereitschaft zur praktischen Umsetzung und Verbreitung desVegetarismus am größten. 1801 wurde in London der erste Vegetarierverein gegründet. Diesem folgten bald ähnliche Vereinigungen in anderen englischen Städten. 1847 kam es zur Gründung der Vegetarian Society. Ein typischer Repräsentant des in der Öffentlichkeit aktiven englischen Vegetarismus war George Bernard Shaw.

In Russland war Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) der prominenteste Befürworter des Vegetarismus.

Als Begründer der vegetarischen Bewegung in Deutschland gilt Gustav Struve (1805–1870), der durch Jean-Jacques Rousseaus Roman Émile zu dieser Lebensweise motiviert wurde. 1868 gründete er mit Gesinnungsgenossen aus Stuttgart und Umgebung einen vegetarischen Verein, der noch bis in die Gegenwart besteht. Er beeinflusste die vegetarische Bewegung mit seinem Werk aus dem Jahre 1869 "Pflanzenkost – die Grundlage einer neuen Weltanschauung" nachhaltig. Der religiös motivierte Vegetarier Eduard Baltzer (1814–1887) gründete 1867 einen „Verein für natürliche Lebensweise“, der rasch wuchs und 1869 in „Deutscher Verein für naturgemäße Lebensweise (Vegetarianer)“ umbenannt wurde.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gewann die vegetarische Bewegung immer mehr an Bedeutung. Zahlreiche weitere Vereine wurden gegründet. 1892 schlossen sich zwei Dachverbände zum „Deutschen Vegetarier-Bund“ mit Sitz in Leipzig zusammen.

1893 wurde von Anhängern der Lebensreformbewegung in Oranienburg bei Berlin die vegetarische Obstbaugenossenschaft Eden gegründet. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lebten fast 1000 Menschen im genossenschaftlich organisierten „Eden“.

Die Begründungen für eine fleischlose Lebensweise waren unterschiedlich. Der „hygienische“ Vegetarismus argumentierte vor allem mit physiologisch-anatomische Argumenten und behauptete, dass der Fleischkonsum für eine Vielzahl von Krankheiten verantwortlich sei. Andere Vegetarier begründeten den Verzicht auf Fleischkonsum auch sozioökonomisch. Ihre Konzepte waren oft Gesellschaftskritisch und trugen stark romantische oder gar utopische Züge. Eine dritte Richtung bezog sich auf ethische Aspekte und wandte sich konsequenterweise auch gegen Tierversuche, was zur Konfrontation mit Ärzten und Naturwissenschaftlern führte.

Entwicklung ab dem 20. Jahrhundert
Nachdem sich bereits im neunzehnten Jahrhundert mehrere nationale Vegetarierverbände gebildet hatten, entstand im Jahr 1908 die internationale Vegetarier-Union als Dachverband.

In Deutschland stagnierten zur Zeit der Weimarer Republik die Mitgliederzahlen des Vegetarierbundes. Im Jahre 1935 dessen Auflösung, um einer geplanten Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten zuvorzukommen.

Albert Schweitzer setzte sich seit seiner Jugend intensiv mit der ethischen Problematik der Anwendung tödlicher Gewalt gegen Tiere auseinander. Das von ihm entwickelte Prinzip der Ehrfurcht vor dem Leben spielt noch heute in einschlägigen Diskussionen eine Rolle. Er selber ging jedoch erst kurz vor seinem Tod zur vegetarischen Ernährung über.

Ein weiterer prominenter Befürworter des Vegetarismus war Gandhi.

Formen des Vegetarismus
Vegetarismus ist ein Oberbegriff für eine Ernährung, die auf Fleisch und Fisch verzichtet. Bei Eiern, Milchprodukten und Honig gehen jedoch die Meinungen auseinander. So haben sich unterschiedliche Formen der vegetarischen Ernährung entwickelt, welche auf verschiedenen Nahrungsmitteln basieren:

  • Ovo-lacto-vegetarische Ernährung: Ovo-lacto-Vegetarier (lat. ovo=Eier und lacto=Milch) verzichten auf Fleisch und Fisch. Eier, Milch und Produkte, die diese enthalten, werden gegessen. Das ist die Bezeichnung für den „normalen“ Vegetarier. Die meisten Vegetarier beginnen mit der ovo-lacto-vegetarischen Ernährung. Da Ovo-lacto-Vegetarier nur auf Fleisch und Fisch verzichten, können sie relativ einfach auch in nicht-vegetarischen Restaurants essen.
  • Lacto-vegetarische Ernährung: Lacto-Vegetarier meiden Eier, essen aber Milchprodukte, denn für sie stellt ein Ei ein ungeborenes Huhn dar. Auch wenn die meisten Eier heutzutage unbefruchtet sind, so empfinden Lacto-Vegetarier Eier dennoch als Fleischkost. Dies bedeutet z.B., dass handelsüblicher Kuchen der Eier enthält, vom Speiseplan gestrichen wird. Anstelle von Ei kann man auch ein Tofu-Omlett zaubern oder zum Kuchenbacken Kichererbsen- oder Sojoamehl als Bindemittel verwenden.
  • Ovo-vegetarische Ernährung: Ovo Vegetarier verzichten zwar auf Milch, verspeisen jedoch Eier. Diese Form des Vegetarismus findet sich seltener und eher, wenn eine Milchunverträglichkeit vorliegt.
  • Vegane Ernährung: Sich vegan zu ernähren bedeutet ein Verzicht auf alle tierischen Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Honig. Dem Veganismus liegt häufig eine politische Einstellung zugrunde, welche die Ausbeutung von Tieren strikt ablehnt. Daher kaufen Veganer weder Leder-, Wollartikel, Kosmetika noch Reinigungsmittel, welche tierische Bestandteile haben oder an Tieren getestet worden sind. Grundsätzlich müssen Veganer bei ihrer Ernähung aufpassen, damit es nicht zu einer Fehlernährung kommt. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, altbekannte Lebensmittel und Gerichte rein pflanzlich und somit vegan zuzubereiten. Sojasahne, Hafermilch, Kichererbsen-Humus, Veggie-Burger und mehr bereichern die vorhandene Vielfalt an Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten.
  • Rohkost Ernährung: Der Fokus der Rohkost-Ernährung liegt auf dem Verzehr von „lebendigem“ Essen – also enzymreicher Nahrung, welche nicht erhitzt wurde und daher noch voller Vitalität und Lebenskraft ist. Die Rohkost-Ernährung erfordert Kreativität, um diese Art von Ernährung mit dem gesellschaftlichen Leben zu verbinden. Rohköstler essen Obst, Nüsse, Samen und Gemüse nicht nur roh, sondern auch fermentiert, dehydriert oder gekeimt. Häufig handelt es sich bei Rohköstlern um vegan lebende Menschen, wobei es auch Rohkostformen gibt, die auch rohe tierische Produkte wie z.B. Rohmilch verzehren.
Bei den vielen Ausprägungen der vegetarischen Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil auf dem vegetarischen Speiseplan für die meisten Vegetarier Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Getreide. Anstelle von Fleisch genießen Vegetarier diese vegetarischen Lebensmittel in bunten Variationen.

Mehr Nachhaltigkeit durch Vegetarismus ?
Umweltschutz ist ein Thema, das alle Menschen miteinbezieht. Aus diesem Grunde wird vermehrt auf einen nachhaltigen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen geachtet. Doch Umweltschutz und Nachhaltigkeit besteht aus weitaus mehr, als nur die üblichen Energie- und Ressourcensparmethoden wie Energiesparlampe, das 3-Liter-Auto, oder der Ausbau regenerativer Energieformen. So können auch vegetarische Rezepte durchaus zur Nachhaltigkeit beitragen. Auch wenn dies auf den ersten Blick erstaunlich klingen mag, so trägt die Fleischindustrie doch zu einem erheblichen Teil zu Umweltverschmutzung und Zerstörung von Ressourcen bei. Ein bekanntes Beispiel ist die Zerstörung des Regenwaldes in Südamerika im Namen der Viehzucht. Hierbei werden ganze Landstriche gerodet, nur um ausreichend Platz für den steigenden Bedarf an Rindern zu schaffen. Die steigende Nachfrage bewirkt zudem einen erhöhten Bedarf an Weidefläche und Raum für Tierfutterproduktion. Als Konsequenz verschwinden täglich unzählige wichtige ökologische Lebensräume. Auch verbraucht die Landwirtschaft und allen voran die Fleischindustrie große Mengen an Wasser. Laut Studien des World Watch Institutes steckt in jedem Kilogramm Fleisch rund 15 Kubikmeter Wasser. Angesichts der Wasserknappheit in manchen Ländern eine unvorstellbare Menge.

Aber auch in Deutschland gibt es zahlreiche Argumente, die für Nachhaltigkeit durch Vegetarismus sprechen. Immerhin ist die Viehzucht in einem großen Maße für die Verschmutzung von Luft und Wasser verantwortlich. Die mit Medikamenten und chemischen Zusatzstoffen gefütterten Tiere produzieren große Mengen an Ausscheidungen, welche entweder in Form von Gülle den Feldern als Dünger zugeführt, oder einfach nur ins Grundwasser abgelassen werden. Dieses Vorgehen sorgt zunehmend für ein Ungleichgewicht der natürlichen Wasserressourcen.
Des Weiteren bewirken die tierischen Ausscheidungen dass eine große Menge an Kohlenstoffdioxid und Methan freigesetzt wird. Die Auswirkungen auf das Klima sind schwerwiegend. Nach aktuellen Schätzungen wird durch die Produktion von nur einem Kilogramm Rindfleisch ebenso viel Treibhausgase produziert, wie durch ein Auto auf einer Strecke von 250 Kilometer anfällt.

All diese Aspekte sprechen für einen bewussteren Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen und ein Umdenken der eigenen Ernährung.


Dokumente
Vegetarisch Leben
Mangelerscheinung bei Vegetariern

Interne Links
Externe Links
Brauchen wir eigentlich noch Fleisch ?
Warum Vegetarismus ?
Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus

Schlagworte

Ernährung, Veganer, Vegetarismus

Letzte Aktualisierung

20.04.2015 10:05

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