Aachener Stiftung Kathy Beys

Reskilling

Definition
Der englische Begriff "Reskilling" bedeutet frei übersetzt so viel wie das deutsche Wort "umschulen". Im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung steht Reskilling jedoch für das Erlernen neuer bzw. das Wieder-Erlernen alter und zum Teil vergessener Handwerkskünste.
Die Grundidee hinter dem Reskilling-Ansatz beruht auf der Doppel Belastung durch Klimawandel und "peak oil". Damit diese zweifache Hürde bezwungen werden kann, ist eine drastische gesellschaftliche Veränderung notwendig. Der Reskilling-Ansatz verfolgt in diesem Kontext das Ziel des Erlernens neuer Fähigkeiten um mithilfe dieser die Umwelt zu schonen und eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Bei den neuen "Skills" handelt es sich um bereits bekannte aber wieder vergessene Techniken der Handwerkskunst, des Ressourcenmanagements, der Energiegewinnung oder der Landwirtschaft, die gerade im Angesicht gegenwärtiger Umweltprobleme eine Alternative zu aktuellen Techniken darstellen könnten.
(Quelle: D. Pargmann 2010)


Reskilling Beispiele

Reparaturwerkstatt / Repair Café
In sogenannten "Reparaturwerkstätten" werden unterschiedliche Workshops angeboten die den Teilnehmern Wissen über Reparaturmöglichkeiten defekter Gegenstände, sowie Wartungs- und Pflegetipps vermitteln. Bei den kostenlosen Workshops wird versucht, möglichst viele Ersatzteile wiederzuverwerten. Darüber hinaus wird ein kleines Sortiment aus verschiedenen Anbau- und Ersatzteilen zur Verfügung gestellt. Wer zudem überflüssige Ersatzteile zur Verfügung stellt, kann dieses Nachhaltigkeitsprojekt unterstützen. Im Kontext des Reskilling-Ansatzes soll auf diese Weise die Fähigkeit vermittelt werden, defekte Gegenstände wie Fahrräder zu reparieren anstatt diese neu zu kaufen. Diese Reperaturwerkstätten wirken somit der weitverbreiteten "Wegwerf-Mentalität" entgegen. Eine solche Reparaturwerkstatt ist beispielsweise in Trier anzutreffen. (Quelle: Trier im Wandel)

Einen ähnlichen Ansatz wie die Reparaturwekstätten verfolgen die sogenannten Repiar Cafés. Dabei handelt es sich um monatliche ehrenamtliche Treffen, bei denen Besucher unter Anleitung lernen defekte Gegenstände wie z.B. elektrische Geräte, Fahrräder, Kleidung, Möbel und vieles mehr zu reparieren bzw. wieder in Stand zu setzen. Wer sich mit dem erlernen des "selber-reparierens" schwer tut findet oftmals Unterstützung von anwesenden Reparaturexperten wie Elektrikern, Schneiderinnen, Tischlern und Fahrradmechanikerinnen. Jeder der einen beschädigten Gegenstand besitzt kann diesen zu den regelmäßigen Treffen mitbringen und dort reparieren lassen. Die Idee der Repair-Café-Initiative stammt ursprünglich von Martine Postma. Diese organisierte am 18. Oktober 2009 das allererste Repair Café in Amsterdam. Der damit verknüpfte großartige Erfolg war für Martine Anlass, im Jahr 2010 die Stiftung „Stichting Repair Café“ zu gründen. Hierbei handelt es sich um eine niederländische Non-Profit-Organisation die lokalen Gruppen im In- und Ausland professionelle Unterstützung bei der Eröffnung eines eigenen Repair Cafés bietet. Seit der Eröffnung des ersten Repair Cafés in Amsterdam, wurden
weltweit
zahlreiche weitere Cafés gegründet. (Quelle: repaircafe.org)

Samen des Wandels
Das Projekt "Samen des Wandels" verfolgt das Ziel, Wissen über Ökologie, Resilienz und Permakultur zu vermitteln um den Zugang zu gentechnikfreiem Saatgut und biologisch und regional erzeugten Lebensmitteln für alle Menschen zu unterstützen. Dazu fördert das Projekt die Vernetzung und Bildung im Bereich Landwirtschaft. Auf der zugehörigen Internetseite wird zudem auf Aktionen und Workshops zum Thema Permakultur und ökologischer Landbau hingewiesen. Im Rahmen dieser gelebten Permakultur werden den Teilnehmern unter anderem Methoden und Ideen vermittelt wie sie ihren eigenen Garten natürlich und ertragreich gestalten können. (Quelle: Samen des Wandels)

Zahlreiche weitere Projekte und Anregungen im Konsenz des Reskilling-Ansatzes finden Sie auf www.transition-initiativen.de


Zusammenhang zwischen Permakultur, Transition Towns und Reskilling
Bei genauerer Betrachtung des Reskilling-Ansatzes lassen sich Verbindungen zu benachbarten nachhaltigkeitsansätzen wie etwa der Permakultur oder den Transition Towns finden. Das Reskilling stellt dabei eine Methode dar, welche in einer Permakultur oder einer Transition Town angewendet wird.
Die Permakultur ist eine gesellschaftliche Lebensweise „[...] in der nachhaltige Lebensformen und Lebensräume unterstützt, entworfen und aufgebaut werden." (Permakultur Akademie)
Permakultur ist demnach ein „[...] Oberbegriff für die Entwicklung und Anwendung von ethisch basierten Leitsätzen und Prinzipien zur Planung, Gestaltung und Erhaltung zukunftsfähiger Lebensräume. Schwerpunkte bilden dabei Nahrungsproduktion, Energieversorgung, Landschaftsplanung und Gestaltung sozialer (Infra)Strukturen." (Quelle: Drumbl 2010, S.37-38)
Um eine nachhaltige Lebensform zu entwickeln greift die Permakultur auf das Reskilling zurück indem vorindustrielle Landwirtschafstmethoden und Maßnahmen der nachhaltigen Energiegewinnung erforscht, wiedererlernt und umgesetzt werden.

Ein zentrales Element der Permakultur ist deren Umsetzung in unterschiedlichen Formen. So entstand beispielsweise im Jahre 2006 die sogenannte Transition-Towns-Bewegung. Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Permakultur, die ursprünglich sehr landwirtschaftlich geprägt war. Der Begriff "Transition" bedeutet im deutschen so viel wie Wandel oder Übergang. Im Bezug zur Permakultur ist hier ein Wandel vom Zeitalter der Nutzung fossiler Energien hin zu einer Zeitspanne in der Energie aus erneuerbaren Quellen stammt, gemeint. Städte und Gemeinden sollen dementsprechend verstärkt auf die Nutzung erneuerbarer Energien setzen, um Klimawandel und Umweltzerstörung entgegenzuwirken. Die Transition-Town-Bewegung ist eine bottom-up-Initiative, das heißt, dass entsprechende Denken und Handeln wird von einzelnen umgesetzt und nicht durch Gruppierungen oder Verbände von oben initiiert (Quelle:Permakultur-Forschungsintitut).
Der Reskilling Ansatz ist eng verknüpft mit der Transition-Town-Bewegung, da es in beiden Fällen um einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Lebensweise geht. Im ganzen Betrachtet kann das Reskilling als Werkzeug der Permakultur und somit der Transition-Town-Bewegung betrachtet werden, mithilfe dessen eine zukunftsorientierte Lebens- und Wirtschaftsweise ermöglicht werden soll..

Mehr zu "Permakultur" und "Transition Towns" erfahren Sie unter folgenden

Weiterführendes
  • Theorie zur Frage: Warum verschwinden manche Fähigkeiten ?
Auf all diese Fragen gibt es keine konkrete Antwort. Vielmehr müssen die unterschiedlichen Fähigkeiten gesondert voneinander betrachtet werden. Dennoch lassen sich einige Faktoren aufführen, die zum Verlernen mancher Fähigkeiten beitragen. Als Beispiel kann hier die industrielle Produktion angeführt werden, die oftmals darauf ausgelegt ist, in kurzer Zeit möglichst viel herzustellen. Die Arbeitsschritte übernehmen dabei zahlreiche Maschinen. So werden täglich Konsumgüter wie beispielsweise Möbel zu tausenden an einem Tag produziert. Masse geht dabei vor Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Vor einigen Generationen wurden Möbel noch in Handarbeit hergestellt. Dies dauerte zwar länger, beeinflusste die Umwelt in puncto CO2-Ausstoß und Energieverbrauch aber weniger stark. Natürlich gab es auch hier verschiedene Formen der Umweltbeeinträchtigung, entscheidend ist aber, dass sich die Art der Produktion in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Dabei hat sich nicht nur die Menge der hergestellten Güter gewandelt, sondern auch die Art und Weise. Handwerkliche Vorgehensweisen erfolgen gegenwärtig maschinell, was dazu führt, dass diese mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und das Ersetzen von Maschinen durch menschliche Arbeitskraft senkt nicht nur den Energieverbrauch, sondern schafft auch Arbeitsplätze und verfolgt den Reskilling-Ansatz.

Gerade die gegenwärtigen Produktionsverhältnisse, der Bedarf an "immer-mehr" und der schnelllebige Zeitgeist trägt dazu bei, dass altbekannte Fähigkeiten durch neue, technologisierte und vor allem schnellere Methoden ersetzt werden. Der Schutz der Natur und die Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung ist in vielen Fällen zweitrangig. Dabei stellt sich die Frage, ob "Neu" auch wirklich besser ist ? Problematischerweise gehen mit einer schnelleren Produktion oder Energiegewinnung oftmals auch intensivere umweltbeeinflussende Prozesse einher. Umso wichtiger ist der Reskilling-Ansatz der mögliche Alternativen zu gängigen Methoden darstellt. Ein sehr anschauliches Beispiel ist das Kühlen von Lebensmitteln ohne Kühlschrank. Erste rudimentäre Formen dieser gab es erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Doch bereits vor dieser Entwicklung war es den Menschen möglich, ihre Lebensmittel langfristig zu kühlen und haltbar zu machen. Heute ist dieses Wissen weitgehend verdrängt. Doch genau diese Rückgewinnung des alten Wissens ist es, die in der heutigen Zeit dringend benötigt wird. Rückschritt bedeutet in diesem Fall Fortschritt.


Literatur
Drumbl, A.(2010): Öko-Training. Berlin: Xvarnah. [Link]

Dokumente
Skills For Sustainable Growth
E. Poppe: Reparaturpolitik in Deutschland

Interne Links
Externe Links
repaircafe.org
Samen des Wandels
www.transition-initiativen.de
D. Pargmann 2010: The Great Reskilling.
Trier im Wandel

Schlagworte

Bildung, Kapital, Koalitionsvertrag, Konsum, Lebensstil, Verbraucher

Letzte Aktualisierung

19.08.2015 12:31

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