Aachener Stiftung Kathy Beys

Vertreter der Wachstumsdebatte

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an VertreterInnen von Postwachstums-, Steady-State- oder Degrowth-Ideen. Diese rufen "zur Abkehr von sinnleerem und ressourcenverschwendendem Konsum auf und betonen die Vorzüge von einem suffizienten Leben.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht bekannter Vertreter der Wachstumsdebatte. Die Auflistung erfolgt nach dem Alphabet und stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

Herman E. Daly
„While technology will continue to pull rabbits out of hats, it will not pull an elephant out of a hat – much less an infinite series of ever-larger elephants.“ (Herman E. Daly, Professor Emeritus)
Herman Edward Daly, ehemaliger Weltbankökonom und Schüler von Georgescu-Roegen, ist durch das Konzept des Steady State Economy berühmt geworden, das er in seinem Buch Steady State Economics vorstellt. Seine Vision beinhaltet eine Wirtschaft, die auf dem optimalen Level physisch nicht mehr wächst. Charakteristisch für den Steady State sind konstante Population und konstanter physischer Kapitalstock. Sein Konzept basiert auf den Gesetzen der Thermodynamik, denen zufolge der Menschheit ein begrenztes Budget an Energie mit niedriger Entropie zur Verfügung steht. Unendliches Wachstum ist somit in einem System mit einem begrenzten Vorrat an Energie und Ressourcen nicht möglich. Ausgehend von diesen Überlegungen skizziert Daly drei Institutionen für die Aufrechterhaltung der Steady State Economy. Erstens, eine Institution mit dem Auftrag die Bevölkerung konstant zu halten. Zweitens, eine Institution, die einen konstanten physischen Kapitalstock überwacht. Drittens, eine Institution, die für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgt. Die Steady State Economy kann als Versuch gesehen werden, eine politische Ökonomie zu entwerfen, die ökologische Knappheiten berücksichtigt.

Ralf Fücks
„Intelligentes Wachstum heißt Wachsen mit der Natur. Zügeln müssen wir unseren Naturverbrauch, nicht Entdeckerfreude, Tatendrang und Lebenslust!“ (Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung)
Ralf Fücks befürwortet in seinem Buch „Intelligentes Wachsen – Die grüne Revolution“ einen Aufbruch in die ökologische Moderne. Wachstum ist für Ralf Fücks die Basis für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse. Allerdings stößt das derzeitige Wachstum, das auf intensiven Materialverbrauch und fossile Brennstoffe gründet, an die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit. Daher befürwortet Ralf Fücks „intelligentes Wachstum“, das zu Wohlstand für alle bei gleichzeitiger Schonung der natürlichen Ressourcen führt. Ein Wachsen mit der Natur anstatt eines Raubbaus an der Natur. Den Weg dorthin sollen hocheffiziente Technologien und intelligente Stoffkreisläufe, die Abfall vermeiden, bereiten. Ebenso plädiert er für eine radikale Umgestaltung von Energie, Verkehr und Städtebau. Somit grenzt sich Ralf Fücks Ansatz von der Forderung „Wohlstand ohne Wachstum“ ab. Seine Antwort auf die sozialen und ökologischen Probleme unserer Zeit ist nachhaltiger Wohlstand durch intelligentes Wachstum.

Tim Jackson
“We are persuaded to spend money we don’t have on things we don’t need to create impressions that won’t last on people we don’t care about.” (Tim Jackson, Professor an der Universität Surrey)
Tim Jackson gilt mit seinem Buch Prosperity Without Growth als „Popstar“ der wachstumskritischen Community und hat weit darüber hinaus Bekanntheitsgrad erreicht. Er analysiert den Zusammenhang zwischen Wohlstand, Wohlergehen, Wachstum und Nachhaltigkeit und stellt die These auf, dass Wohlstand ohne Wachstum möglich ist. Aufbauend auf seiner Analyse richtet Tim Jackson einen Katalog an Vorschlägen an die Politik, wie der Übergang zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft angestoßen werden kann. Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen geht es erstens um den Aufbau einer ökologischen Makroökonomie, die innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit Stabilität erzeugt und strukturell nicht mehr von Konsumwachstum angetrieben werden muss; zweitens um den Schutz der Verwirklichungschancen zum menschlichen Erblühen; und drittens um die Einhaltung von ökologischen Grenzen. Letztlich geht es darum Möglichkeitsräume und Gestaltungsspielräume zu schaffen, damit die Vision Wirklichkeit werden kann: „human flourishing“ innerhalb von ökologischen Grenzen eines endlichen Planeten.
Mit seinem Buch Prosperity Without Growth erlangte Tim Jackson nicht nur innerhalb der wachstumskritischen Community, sondern auch weit darüber hinaus ein hohes Maß an Popularität. Er vertritt die These, dass Wohlstand auch ohne Wachstum möglich ist. Zu diesem Schluss kommt er, indem er den Zusammenhang zwischen Wohlstand, Wohlergehen, Wachstum und Nachhaltigkeit untersucht. Diese Analyse stellt auch den Ausgangspunkt für eine Liste mit Politikempfehlungen dar, welche die Richtung in eine zukunftsfähige Wirtschaft weisen sollen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beinhalten erstens den Aufbau einer ökologischen Makroökonomie, die sich innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit stabilisierend auswirkt und nicht mehr vom Konsumwachstum abhängig ist; zweitens geht es darum, die Verwirklichungschancen für menschliches Erblühen sicherzustellen; und drittens um die Berücksichtigung ökologischer Grenzen. Schlussendlich steht die Schaffung von Möglichkeitsräumen und Gestaltungsspielräumen im Vordergrund, um die Vision von „human flourishing“ innerhalb von ökologischen Grenzen eines endlichen Planeten realisieren zu können.

Ross Jackson
„There can be little doubt that we are on a journey toward a different kind of world for the simple reason that this one is on an unsustainable path.“ (Ross Jackson, Gaia Trust)
Ross Jackson ist Gründer und Vorsitzender von Gaia Trust, einer dänischen gemeinnützigen Organisation, die durch ihre Projekte vor allem das Ecovillage Movement und Bildung für eine nachhaltige Zukunft unterstützt. In seinem neuesten Buch Occupy World Street: A Global Roadmap for Radical Economic and Political Reform gibt Jackson einen Überblick über die historische Entwicklung und die Auswirkungen des neoliberalen Wirtschaftssystems. Dabei weist er darauf hin, dass es sich beim Neoliberalismus nicht um eine zwangsläufig verlaufende historische Entwicklung handelt, sondern vielmehr um ein von Menschen entworfenes, künstliches Konstrukt, welches dem Eigennutz einiger weniger dient und die Interessen der Mehrheit unberücksichtigt lässt. Jackson zeigt die fundamentalen Fehler der modernen Wirtschaft auf und argumentiert, dass IMF und WTO einen maßgeblichen Einfluss darauf hatten, wie sich das Wirtschaftssystem bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt hat. Als Alternative präsentiert der Autor ein „Gaian economic system“, dessen Organisation auf verschiedene kleinere, dezentralisierte communities aufbaut ist, die über ein gewisses Maß an lokaler Demokratie verfügen. Eine Rückkehr zu einem einfacheren und nachhaltigem Lebensstil, der zugleich auch zu mehr Zufriedenheit führt, ist Jackson zufolge zugleich notwendig und unausweichlich. Im Buch werden dazu mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Realisierung einer solchen Zukunftsvision funktionieren kann.

Meinhard Miegel
„Würde die Menschheit so wirtschaften wie wir Deutschen, bräuchte sie 2,6 Erden. Wir sind also wirklich kein Vorbild. Doch weil uns viele nacheifern, verschlechtern sich die Lebensgrundlagen aller dramatisch. Auf diesem Pfad können wir nicht weiter marschieren.“ (Meinhard Miegel, Vorstand vom Denkwerk Zukunft)
Meinhard Miegel ist Vorstandsvorsitzender vom Denkwerk Zukunft und Autor des 2010 erschienen Buches „Exit: Wohlstand ohne Wachstum“. Darin argumentiert er, dass Wohlstandssteigerungen durch Wachstum auf Grund der sozialen und ökologischen Probleme nicht ewig fortsetzbar sind. Er argumentiert, dass Wachstum nach den Kriegsjahren zur Steigerung von Wohlstand und Zufriedenen geführt hat. Nach 1970 stieg zwar der Wohlstand, aber nicht mehr die Zahl der Zufriedenen. Das Wachstumsstreben hingegen hat einen „verzehrenden Brand angefacht, dem immer mehr zum Opfer fällt: Menschen, Tiere und Pflanzen; Landschaften, Städte und Kulturen; Familien, Freundschaften und Nachbarschaften; Nächsten-und Fernstenliebe; Lebenssinn und Lebensglück.“ In seinem Buch fordert er eine Mäßigung von den VerbraucherInnen, einen Verzicht auf das Zuviel und plädiert für privates Engagement und eine Besinnung auf Werte wie Familie und Gemeinsinn. Seiner Meinung nach wird der Wohlstand des 21. Jahrhunderts in größerem Ausmaß immaterieller Natur sein.


Niko Paech
„Durch den Abwurf von Wohlstandsballast hätten wir die Chance, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, statt im Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung zusehends Schwindelanfälle zu erleiden.“ (Niko Paech, Professor an der Universität Oldenburg)
In seinem neuesten Buch Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie ruft Niko Paech dazu auf, sich vom konventionellen Wohlstandsmodell zu verabschieden. Als Gründe dafür nennt der Autor zum einen die Tatsache, dass Menschen in modernen Konsumgesellschaften über ihre Verhältnisse leben, da unser durch Wachstum erlangtes Wohlstandsniveau weitgehend auf „ökologischer Plünderung“ basiert. Darüber hinaus führen Versuche der Entkoppelung von Wachstum und ökologischen Schäden durch technische Innovationen zu keinem Erfolg, sondern verschlechtern die Situation im schlimmsten Fall sogar. Als Alternativlösung spricht sich Paech für eine Postwachstumsökonomie aus, welche auf den Prinzipien Suffizienz und Subsistenz aufbaut. Dieses Ziel soll unter anderem dadurch erreicht werden, indem industrielle, vor allem global arbeitsteilige Wertschöpfungsprozesse teilweise reduziert werden, während lokale und regionale Selbstversorgungsmuster an Bedeutung gewinnen sollen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Vernachlässigung von unnötigem materiellem Ballast, um die Möglichkeit für ein höheres Ausmaß an Zeit und Glück zu eröffnen. Paech’s Modell einer Postwachstumsökonomie besteht seit 2007 und wurde seitdem laufend weiterentwickelt. Für die Verwirklichung einer solchen schlägt der Autor unter anderem folgende Maßnahmen vor: Reparatur-, Instandhaltungs- und Pflegemaßnahmen, kürzere Transportwege, mehr handwerkliche sinnstiftende Wertschöpfung, regionalen Komplementärwährungen, die verstärkte Gemeinschaftsnutzung von Gütern und Nachhaltigkeitsbildung als Pflichtfach in Schulen.

Karl-Heinz Paqué
„In den Industriestaaten haben wir doch längst ein Wachstum, das uns ressourcen- und umweltschonende Produktionsverfahren beschert. Für mich steht außer Frage, dass künftige Techniken noch schoneneder mit den vorhandenen Knappheiten umgehen werden.“ (Karl-Heinz Paqué, Professor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)

Karl-Heinz Paqué ist Professor der Volkswirtschafslehre, ehemaliger FDP-Politiker und war als FDP-Wirtschaftsexperte in der deutschen Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Kapitalismus“ von 2010 bis 2013. Er ist Autor des Buches „Wachstum! Die Zukunft des globalen Kapitalismus“ (2010), in dem er für die Notwendigkeit von Wachstum plädiert. Er argumentiert, dass nur Wachstum die ökologischen und sozialen Probleme unserer Zeit lösen kann. Seiner Ansicht nach, gibt es keine Alternative zu Wachstum, weil Unternehmen auf Gewinne und Volkswirtschaften auf eine Steigerung des BIP angewiesen sind. Auch in der Enquete-Kommission übernahm er die Position des liberalen Wachstumsbefürworters. Wohlstand und Wirtschaftswachstum sind für Paqué Zeichen für den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft. Somit begutachtet er die Höhe des BIP als besten Indikator, um den Wohlstand einer Gesellschaft zu messen. Den Ruf nach Konsumverzicht, den WachstumskritikerInnen verlauten lassen, interpretiert er als Freiheitsberaubung. Für Paqué ist Innovation der Schlüssel um Wachstum mit Nachhaltigkeit zu vereinen – Wachstum von Wissen führt zu Ressourcen- und umweltschonenden Produktionsverfahren.


Irmi Seidl, Angelika Zahrnt
„Gut leben statt viel arbeiten.“ (Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des BUND)
Im Jahr 2010 erschien das Buch Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt, welches zu einer Anregung der Debatte im deutschsprachigen Raum geführt hat. Wie der Titel schon vermuten lässt, steht der gesellschaftliche Wandel im Zentrum des Buches, der neben dem ökonomischen, technischen und strukturellen Wandel für eine Befreiung vom Wachstumszwang nötig ist. Im Fokus steht dabei die Reflektion über Möglichkeiten der Umgestaltung von zentralen Gesellschaftsbereichen und Institutionen, die entweder wachstumstreibend wirken oder von Wachstum abhängig sind. Dadurch soll es Gesellschaft und Wirtschaft ermöglicht werden, sich von der Verfolgung des Wachstumsziels zu verabschieden. Diskutiert werden unter anderem die Bereiche Alterssicherung, das Gesundheitswesen, Bildung, der Arbeitsmarkt, Finanzmärkte, Staatsfinanzen oder Bürgerschaft. Zu jedem dieser Bereiche wurde zusammen mit ExpertInnen nach umsetzbaren Konzepten und Praxiserfahrungen gesucht, welche einen positiven Beitrag zur Umsetzung einer Postwachstumsgesellschaft leisten können. Zum Abschluss werden einige Thesen vorgestellt, welche als Kristallisationspunkte für den gesellschaftlichen Diskurs dienen sollen. Im Bereich der Alterssicherung könnte beispielsweise der bestehende monetäre Generationenvertrag durch einen nicht-monetären, sozialen Generationenvertrag ergänzt werden. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf das Gesundheitssystem, welches zu einem kosteneffizienten Solidarsystem umgewandelt werden könnte, das auch zu einem großen Teil auf Eigenverantwortung basiert. Die Abbildung einer Forschungslandkarte einer Postwachstumsgesellschaft soll WissenschaftlerInnen dazu anregen, neue Fragen aufzuwerfen und weiter über das Thema zu reflektieren.

Peter Victor
„Managing without growth seems like a very radical, even crazy idea, yet for all but the tiniest sliver of time since humans evolved, humanity has managed without growth.“ (Peter Victor, Professor an der Universität York)
In seinem Buch Managing Without Growth. Slower by Design, Not Disaster zeigt Peter Victor anhand eines makroökonomischen Modells für die kanadische Wirtschaft auf, wie Vollbeschäftigung, Armutsreduzierung, fiskalische Stabilität und verminderte Treibhausgasemissionen ohne substantielles Wirtschaftswachstum erreicht werden können. Indem er unterschiedliche Szenarien für die kanadische Wirtschaft simuliert und dabei die Wirkung verschiedener Politikmaßnahmen untersucht, kommt der Autor zu dem Schluss, dass sich die wesentlichen sozialen, ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen auch ohne substantielles Wachstum verwirklichen lassen. Durch die Anwendung einer relativ konservativen, anschlussfähigen Analysemethode wird deutlich, dass gutes Wirtschaften und Leben auch ohne Wachstum möglich sind, jedoch nur in Kombination mit angemessenen Politikmaßnahmen.


Dokumente
"Wachstum im Wandel" Dossier

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Literaturhinweise
  • Daly, H. E. (1991): Steady State Economics. Island Press: Washington, D.C.
  • Fücks, R. (2013): Intelligent Wachsen – Die grüne Revolution. Hanser Verlag, München.
  • Jackson, T. (2009): Prosperity Without Growth. Earthscan: London.
  • Miegel, M. (2010): EXIT: Wohlstand ohne Wachstum. Ullstein Buchverlage, Berlin.
  • Paech, N. (2012): Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. Oekom: München.
  • Paqué, K. H. (2010): Wachstum! Die Zukunft des globalen Kapitalismus. Hanser Verlag, München.
  • Seidl, I., Zahrndt, A. (2010): Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft. Metropolis: Marburg.
  • Victor, P. A. (2008): Managing Without Growth. Slower by Design, Not Disaster. Edward Elgar: Cheltenham.

Schlagworte

Wachstum, Wachstumsdebatte

Letzte Aktualisierung

09.12.2015 11:33

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