Aachener Stiftung Kathy Beys

Nachhaltige Wasserwirtschaft

Zur Entstehung des Begriffs

In der Studie "Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland" des Umweltbundesamtes aus dem Jahre 1998 wird der Begriff der nachhaltigen Wasserwirtschaft (sustainable water management) folgendermaßen definiert: "Eine nachhaltige Wasserwirtschaft bezeichnet die integrierte Bewirtschaftung aller künstlichen und natürlichen Wasser(teil)kreisläufe unter Beachtung drei wesentlicher Zielsetzungen: Dem langfristigen Schutz von Wasser als Lebensraum bzw. als zentrales Element von Lebensräumen; der Sicherung von Wasser in seinen verschiedenen Facetten als Ressource für die jetzige wie für nachfolgende Generationen; der Erschließung von Optionen für eine dauerhafte naturverträgliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Bei der Erfüllung der Zielsetzungen werden die Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung in anderen Sektoren ergeben, ebenfalls berücksichtigt." Um einzelne Sachverhalte und Maßnahmen besser bewerten zu können, wurden in der Studie stärker spezifizierte Leitlinien herausgearbeitet. Dafür wurden verschiedene Prinzipien entwickelt, welche die Auslegung von Nachhaltigkeit in der Wasserwirtschaft unterstützen.
Mehr...


Prinzipien einer nachhaltigen Wasserwirtschaft

  • Regionalitätsprinzip
"Die regionalen Ressourcen und Lebensräume sind zu schützen, räumliche Umweltexternalitäten zu vermeiden."
  • Integrationsprinzip
"Wasser ist als Einheit und in seinem Nexus mit den anderen Umweltmedien zu bewirtschaften. Wasserwirtschaftliche Belange müssen in die anderen Fachpolitiken integriert werden."
  • Verursacherprinzip
"Die Kosten von Verschmutzung und Ressourcennutzung sind dem Verursacher anzulasten.
  • Kooperations- und Paritzipationsprinzip
"Bei wasserwirtschaftlichen Entscheidungen müssen alle Interessen adäquat berücksichtigt werden. Die Möglichkeit zur Selbstorganisation und zur Mitwirkung bei wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ist zu fördern."
"Der direkte und indirekte Ressourcen- und Energieverbrauch der Wasserwirtschaft ist kontinuierlich zu vermindern."
  • Vorsorgeprinzip (Besorgnisgrundsatz)
"Extremschäden und unbekannte Risiken müssen ausgeschlossen werden."
  • Quellenreduktionsprinzip
"Emissionen von Schadstoffen sind am Ort des Entstehens zu unterbinden."
  • Reversibilitätsprinzip
"Wasserwirtschaftliche Maßnahmen müssen modifizierbar, ihre Folgen reversibel sein."
  • Intergenerationsprinzip
"Der zeitliche Betrachtungshorizont bei wasserwirtschaftlichen Planungen und Entscheidungen muß dem zeitlichen Wirkungshorizont entsprechen."

Nachhaltige Zielsetzungen des Bundesumweltamtes

  • "Die schrittweise Erfassung und Beseitigung von Altlasten."
  • "Der Rückbau kleinerer Gewässer im Rahmen von Renaturierungsprogrammen."
  • "Der rückläufige Wasserverbrauch der Industrie (mit Ausnahme der Elektrizitätswirtschaft)."
  • "Der starke Rückgang des Wasserverbrauchs der Landwirtschaft in Ostdeutschland."
  • "Der sinkende Wasserverbrauch seitens der privaten Haushalte."
  • "Die sich anbahnende Umorientierung im Hochwasserschutz hin zu dezentraler Vorsorge und strukturellen statt technischen Lösungen."
  • "Die Abnahme der Emissionen von Säurebildnern (NOx, NH3, SO2) sowie von verschiedenen weiteren gewässerbelastenden Luftschadstoffen."
  • "Die deutliche Steigerung bei der Klärung kommunaler Abwässer."
  • "Der bemerkenswerte Rückgang der Phosphateinträge aus nicht-landwirtschaftlichen Quellen."
  • "Die rückläufigen Belastungen der Gewässer mit Schwermetallen sowie einer Reihe von weiteren gefährlichen Stoffen; die geringer werdenden Einträge auch bei EDTA."
  • "Die Verringerung der Chloridkonzentrationen in einigen Fließgewässern."
  • "Die teilweise zu beobachtende langsame institutionelle Anpassung an die Anforderung einer integrierten Bewirtschaftung der Gewässer, insbesondere die verstärkte Ausrichtung auf die Flußgebiete als zugrunde zu legende Bewirtschaftungseinheit."
  • "Die Diversifizierung des wasserwirtschaftlichen Instrumentariums durch Einsatz neuer Instrumente und die dadurch erhöhte Flexibilität im Umgang mit Problembereichen."

Eventuelle Konfliktherde

  • "Der kontinuierliche Ausbau der Wasserstraßen."
  • "Die fortschreitende Besiedlung der Flußauen."
  • "Die zunehmende Versiegelung der Böden, infolge weiterer Ausdehnung der Siedlungsfläche."
  • "Die trotz sinkender Einträge weitere Anreicherung akkumulierbarer Schadstoffe in den Gewässern."
  • "Die Ausdehnung der Schwemmkanalisation in wenig besiedelten Gegenden."
  • "Die weitere Degradation der Feuchtgebiete (insbesondere der Moore)."
  • "Die Zunahme der Fernwasserversorgung."
  • "Der langjährige, noch keineswegs überall überwundene Anstieg der Nitratwerte im Grundwasser."
  • "Der Zuwachs beim Pflanzenschutzmitteleinsatz."
  • "Die Substitution einzelner gewässerbelastender Stoffe durch andere, etwa im Bereich der Komplexbildner."
  • "Die Verringerung der Eingriffsschärfe einiger erfolgreicher wasserwirtschaftlicher Instrumente (z.B. Abwasserabgabe)."
  • "Der teilweise zu verzeichnende Trend einer Reduzierung der Unabhängigkeit der Wasserwirtschaftsverwaltung."
  • "Der geplante umfangreiche Ausbau von kleinen Wasserkraftanlagen bei deutlichem Vorrang gegenüber Belangen des Naturschutzes."
  • "Das teilweise beabsichtigte Aufbrechen der Wasserversorgungsgebiete."
  • "Die Entfernung der wasserwirtschaftlichen Leistungsträger aus der politischen Kontrolle im Zuge ihrer Ausgliederung und ihrer Überführung in autonome Einheiten."
  • "Die stellenweise gewünschte Fundierung der Wasserwirtschaft auf dem Prinzip einer Ausnutzung von Tragfähigkeitspotentialen anstatt auf dem Vorsorgeprinzip."
  • "Die Vernachlässigung des vorsorgenden Bodenschutzes und der Beseitigung von Altlasten unter Verweis auf die Nutzungsfunktion des jeweiligen Gebietes."

Einige Lösungsansätze zur nachhaltigen Wassernutzung

Außerhalb der Studie wurden ebenfalls einige differenzierte Lösungsansätze entwickelt, die den zunehmenden Wasserverbrauch und die Vielzahl von Wassernutzungskonflikten eindämmen sollen. Mit der Entwicklung neuer Technologien soll zur Einsparung beim Wasserverbrauch und zur Nutzbarmachung neuer Wasserreserven beigetragen werden. Denn regionale und internationale Wasserkonflikte können nur durch entsprechende Vereinbarungen zur Kooperation und zu einem gemeinsamen Wassermanagement gelöst werden.

  • Optimierung von Bewässerungstechniken
Um eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Wasserproduktivität zu erzielen, ist es sinnvoll bei den drei unterschiedlichen Methoden anzusetzen, die weltweit bei der Bewässerung angewandt werden. Bei der Schwerkraftbewässerung lässt sich der Wirkungsgrad u.a. durch eine gleichmäßigere Verteilung der Wasserzufuhr verbessern. Als Voraussetzung dafür gilt z.B. die Planierung der Landfläche durch Beseitigung von Unebenheiten unter Beibehaltung des natürlichen Gefälles. In einem Probelauf in den USA ist es gelungen dieses Verfahren durch den Einsatz lasergesteuerter Planierungstechniken so zu perfektionieren, dass der Wirkungsgrad auf 90% gesteigert werden konnte. Bei der Beregnungsbewässerung kann durch den Einsatz der LEPA-Technik (Low Energy Precision Application) sogar eine Wasserausnutzung von 98 % erreicht werden. Bei dieser Technik wird das Wasser mit geringem Druck unmittelbar an die Pflanze gesprüht, was gleichzeitig den Energieverbrauch senkt. Bei der Tröpfchenbewässerung wird inzwischen nicht nur die Zufuhr von Wasser, sondern auch von Nährstoffen durch Computer und Sensoren gesteuert, wobei durch den sparsamen, gezielten Einsatz auch die Verwendung von Brackwasser möglich wird. Bei diesen Systemen liegt der Wirkungsgrad inzwischen bei ca. 95 %.
Mehr...


  • Wassersparende industrielle Produktion
Der deutsche Ökonom und Philosoph Johannes Wallacher sagt dazu folgendes: „In den Industrieländern wurden in den letzten 20 Jahren bereits große Fortschritte bei der Mehrfachnutzung des in der Industrie eingesetzten Wassers erzielt. Durch den Übergang zu zirkulären Systemen konnte die ‚Wasserrecyclingrate‘, die angibt, wie häufig eine Einheit Wasser im Produktionsprozess umgesetzt wird, deutlich erhöht werden ... Die Nachsorgeorientierung in der Abwasserreinigung stößt jedoch immer mehr an ihre Grenzen ... Ein allein nachsorgeorientierter Gewässerschutz reicht nicht (mehr) aus, um auf Dauer eine wasserschonende industrielle Produktion zu sichern. Einerseits können mit den derzeitigen Klärsystemen nicht alle Schmutzstoffe herausgefiltert werden, andererseits werden die Schadstoffe durch die Klärung nicht beseitigt, sondern lediglich in andere Trägerstoffe verlagert. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet auf lange Sicht nur ein vorsorgender Gewässerschutz, der darauf angelegt ist, die Einleitung von Schadstoffen so gut es geht zu vermeiden. Ein weiteres Einsparpotenzial bietet der Ausbau des Produktrecyclings. In den Entwicklungsländern wird das Einsparpotenzial von Kreislaufsystemen dagegen bisher nur wenig genutzt, geschweige denn sind Maßnahmen zum vorsorgenden Gewässerschutzvorgesehen.“
Mehr...


  • Wasserreinigung und Wasseraufbereitung
Das Thema der Reinigung oder Aufbereitung von Trinkwasser ist für die Wasserwirtschaft von großer Bedeutung. In diesem Rahmen wurden in den letzten Jahrzehnten eine Reihe verschiedener mechanisch-technischer Verfahren entwickelt, chemische Zusätze erprobt und ökologisch basierte Reinigungsprozesse von Schlämmen und Wässern durch Schilfpflanzen getestet. Dabei geht die Versorgung mit sauberem Trinkwasser auch immer mit der geregelten Entsorgung der Abwässer einher. Beispiele sind die Wasserreinigung durch Aktivkohle oder solar betriebene Filtersysteme, deren unkomplizierte Nutzung und Wartung insbesondere in abgelegenen Gebieten mit hoher Sonneneinstrahlung auch ohne Stromanschluss möglich ist.

  • Der Watershed-Ansatz
Der Watershed-Ansatz, zu deutsch, der Wasserscheide-Ansatz hat folgende Schlussfolgerung: Der Ansatz zeigt, dass nicht die politische Grenze, sondern das zu einem Flusssystem gehörende Einzugsgebiet, begrenzt durch seine Wasserscheide,für die Nutzung des Fließgewässer ausschlaggebend sein soll. Somit wären nicht mehr die in vielen Fällen weitab gelegenen nationalstaatlichen Regierungsinstitutionen für die Verfügungsgewalt über grenzüberschreitende Gewässer ausschlaggebend, sondern die politischen Vertretungen der Menschen vor Ort. Deren Entscheidungen über die Nutzung des Wassers eines grenzüberschreitenden Flusses ist stärker auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet und übergeordnete politische Interessen bleiben außen vor.A uf dieser Grundlage basiert die gleichermaßen effektive wie am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichtete Nutzung der Gewässer. Umgesetzt wird der Ansatz z. B. in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Donau- und der Rheinanliegerstaaten. Diese haben sich im Internationalen Komitee zum Schutze des Rheins (IKSR) zusammengefunden und regeln alle wesentlichen Fragen zum Ausbau, zur Nutzung, zu Aspekten des Hochwasserschutzes oder zur Renaturierung einvernehmlich.
Inwieweit sich die positiven Erfahrungen des internationalen Managements des Rheins auch Watershed-Ansatz auf Gebiete ausgeprägten Wassermangels wie etwa den Nahen Osten übertragen lassen, wird jedoch unterschiedlich bewertet. Dennoch kann die Lösung der grenzüberschreitenden Wasserproblematik nur in kooperativer Zusammenarbeit gefunden werden.

  • Bonner Deklaration zur globalen Wassersicherheit
In der Wasser-Deklaration rufen die Wissenschaftler dazu auf, sich verstärkt für globale und nachhaltige Wassersicherheit einzusetzen. Dies soll mittels einer "strategischen Partnerschaft‘" von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft geschehen ebenso wie Unternehmen. Die Deklaration stützt sich auf langjährige Beobachtungen und wissenschaftliche Erkenntnisse von nahezu zehn Jahren Forschung des Global Water System Project (GWSP) mit Sitz am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) in Bonn, unter der Ägide des ESSP (Earth System Science Partnership). Der GWSP Senior Advisor Janos Bogardi nimmt dazu Stellung: "Es ist abzusehen, dass die Mehrheit der neun Milliarden Menschen auf diesem Planeten bereits innerhalb von ein bis zwei Generationen von einem Mangel an Wasser betroffen sein wird. (...)Wasser ist eine lebenswichtige Ressource, für die es keinen Ersatz gibt. Gleichwohl ist dieses Problem selbstverschuldet und aus unserer Sicht vermeidbar". Die Kernpunkte der Deklaration sind folgende:

  • Menschen und menschliches Handeln spielen eine Schlüsselrolle im globalen Wassersystem. Sie beeinflussen nicht nur das vorhandene Wasservolumen (z.B. durch Wasserspeicher und landwirtschaftliche Nutzung), sondern beeinträchtigen auch die Qualität, z.B. durch Verschmutzung. Dies hat negative Folgen für Lebensformen im Wasser als auch für solche auf dem Land - einschließlich der Menschheit selbst.
  • Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, muss in innovative und integrative Forschung investiert werden, um die Verfügbarkeit, Qualität und Nutzung der Ressource Wasser weltweit und dauerhaft zu observieren.
  • Menschen sichern sich den Zugang zu Wasser üblicherweise durch kurzfristige und kostspielige technologische Mittel, die oft langfristig die Umwelt beeinträchtigen. Gesellschaften entscheiden sich fast immer für ökonomisches Wachstum, auch wenn dies abträgliche Auswirkungen auf eben jene Wassersysteme hat, welche die Ressource Wasser überhaupt bereitstellen.
  • Nachhaltige Entwicklung bedarf neben technologischen auch institutioneller Veränderungen um die Ressource Wasser effizienter zu nutzen und Wassersysteme zu schützen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es jedoch vielerorts keine effektiven Institutionen für Wasserressourcenmanagement, die mit dem technischen Fortschritt mithalten können.
  • Innovationen müssen gefördert werden, wobei eine Balance zwischen technischen und anderen institutionellen Lösungen angestrebt werden muss. Wird es versäumt solch einen inklusiven Ansatz zu verfolgen, wird es unmöglich sein, effektive grüne Wachstumsstrategien umzusetzen.

Dokumente

Ressource Wasser-Klett.de, (PDF)
Nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser im 21.Jahrhundert- Uni Karlsruhe.de

Schultz, Gert A. 1993: "Wasserwirtschaftliche Planungen." in: Hans Bretschneider u.a. (Hrsg.): Taschenbuch der Wasserwirtschaft. Hamburg: Parey, 363.

Herausforderungen einer nachhaltigen Wasserwirtschaft

Interne Links

Externe Links

Global Water System Project
Wegweiser für nachhaltige Wassernutzung, Bonn.de
epa.gov
watershed
Johannes Wallacher
Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland, Umweltbundesamt.de

Schlagworte

Ökologische Ziele, Verbraucher, Wasser, Wirtschaft

Letzte Aktualisierung

07.10.2015 11:40

Diesen Artikel: