Aachener Stiftung Kathy Beys

Europäische Verfassung: Entwurf

Vertrag über eine Verfassung für Europa, 2004
Der 2003 entworfene Vertrag sollte eine Überarbeitung des Vertrags von Nizza darstellen und die Europäische Union handlungsfähiger machen. Er wurde am 29. Oktober 2004 von den Regierungschefs unterschrieben, wurde durch gescheiterte Referenden von Frankreich und den Niederlanden jedoch nie rechtskräftig.

Aus dem Vertragsentwurf über eine Verfassung für Europa (Amtsblatt Nr. C 169 vom 18. Juli 2003)

TEIL I: TITEL I DEFINITION UND ZIELE DER UNION
Artikel 2: Die Werte der Union Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte; diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet.

Artikel 3: Die Ziele der Union (1) Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. (2) Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen und einen Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb. (3) Die Union strebt die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums an, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.Die Union wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas. (4) In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen. Sie trägt bei zu Frieden, Sicherheit, nachhaltiger Entwicklung der Erde, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, freiem und gerechtem Handel, Beseitigung der Armut und Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

TEIL II: DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION - TITEL I - WÜRDE DES MENSCHEN
Artikel II-1: Würde des Menschen Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.

Artikel II-2: Recht auf Leben Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

Artikel II-3: Recht auf Unversehrtheit Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden:a) die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten,b) das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben,c) das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen,d) das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.

Artikel II-4: Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Artikel II-5: Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten. Menschenhandel ist verboten.

TEIL II: DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION. TITEL II. FREIHEITEN
Artikel II-6: Recht auf Freiheit und Sicherheit Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.
...
Artikel II-10: Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.

TEIL II. DIE CHARTA DER GRUNDRECHTE DER UNION. TITEL III: GLEICHHEIT
Artikel II-20: Gleichheit vor dem Gesetz Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel II-21: Nichtdiskriminierung Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.Im Anwendungsbereich der Verfassung ist unbeschadet ihrer einzelnen Bestimmungen jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.
...

Artikel II-23: Gleichheit von Männern und Frauen Die Gleichheit von Männern und Frauen ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen. Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.

Artikel II-24: Rechte des Kindes Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
...

Artikel II-37: Umweltschutz Ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität müssen in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden.


Dokumente
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Amtsblatt Nr. C 303), 14. Dezember 2007
Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007
Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Mai 2008

Interne Links
Externe Links
Internetseite Eur-Lex der Europäischen Union mit einem Überblick über sämtliche Verträge

Schlagworte

Abkommen seit 1992, Europäische Union, Nizza, Politik in Europa, Verfassung, Vertrag

Letzte Aktualisierung

29.09.2015 08:04

Diesen Artikel: