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Bündnis 90 / Die Grünen: Bundestagswahlprogramm 2009

Das Bundestagswahlprogramm der Partei Bündnis 90/Die Grünen wurde am 8. bis 10. Mai 2009 in Berlin beschlossen. Das Motto lautet "Aus der Krise hilft nur Grün." Folgend das
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Das Bündnis 90/Die Grünen geht mit einem Vorschlag für einen "grünen Neuen Gesellschaftsvertrag" in die Bundestagswahl. Dieser "Green New Deal" soll ein neues ökonomisches, soziales und ökologisches Fundament legen, um die Gesellschaft auf nachhaltiges Wirtschaften umzustellen. Die Bündnisgrünen "wollen nicht weniger als eine neue industrielle Revolution einleiten" (S. 16) indem sie Klima, Gerechtigkeit und Freiheit im neuen Grünen Gesellschaftsvertrag miteinander verbinden. Eines ist ohne das andere aus Sicht der Partei nicht mehr denkbar. "Wir wollen mit dem Green New Deal einen schrittweisen Wandel unserer Wertschöpfungsbasis hin zu einer humanen und ökologischen Wirtschaft erreichen. (...) Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, neue Schienen- und Energienetze, ein besserer ÖPNV, die Steigerung der Energieeffizienz und vieles mehr - all das bringt neue Arbeit." (S. 26f) Preise sollen in Zukunft die tatsächliche Umweltbelastung widerspiegeln.

Hier nun einige Auszüge aus dem Wahlprogramm die in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit stehen:

Kap.1: Anders Wirtschaften - Ein Green New Deal für neue Arbeit und Innovation

Das Leitbild der Bündnisgrünen ist die "grüne Marktwirtschaft". Hierin soll soziales und ökologisches Handeln die Marktteilnehmer belohnen. Nachhaltigkeit "muss zum Kompass der Wirtschaftspolitik werden", so die Partei; die Umstrukturierung zur nachhaltigen Wirtschaft muss vorangetrieben werden. Instrumente hierfür sind der Emissionshandel und eine ökologische Steuerreform. Der Markt soll dazu gebraucht werden, ökologische Ziele zu erreichen. Allerdings ist weiterhin ein starker Staat von Nöten, da nur er "die notwendigen öffentlichen Güter in hoher Qualität bereitstellen oder unter bestimmten Bedingungen von privater Stelle bereitstellen lassen" (S. 34) kann. Folglich werden von den Bündnisgrünen Kommunen unterstützt, welche ihre Leistungen in der Zukunft wieder selbst erbringen möchten.
Unternehmen, welche im Zuge der Wirtschaftskrise Unterstützung vom Staat erhalten wollen, müssen nach Ansicht der Partei ihre Firmenpolitik umgestalten. So muss die Krise "für einen Richtungswechsel etwa bei den Themen Energieeffizienz, Energieeinsparung und Erneuerbare Energien, bei Materialeffizienz und Kreislaufwirtschaft oder bei integrierten Mobilitätskonzepten genutzt werden." (S. 44)
Auch die Finanzmärkte sollen sich nach Ansicht der Bündnisgrünen ökologisch umstrukturieren. So soll mehr privates Kapital in ökologisch-soziale Investitionen umgelenkt werden. Es sind Mindestkriterien notwendig, um zu klären was als "Nachhaltige Geldanlage" bezeichnet werden darf. Bei der Finanzanlage müssen die Kommunen und öffentlich-rechtlichen Banken eine Vorreiterrolle einnehmen. Außerdem sollen im Vergaberecht die sozialen und Nachhaltigkeitskriterien rechtssicher und handhabbar gestaltet werden.
Weiterhin soll die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf den Faktor Umwelt verlagert werden. In Zuge dessen soll die Steuerbefreiung von Flugbenzin abgeschafft werden, die Lkw-Maut zum Klimaschutzinstrument umgestaltet werden und Brennelemente wie fossile Brennstoffe versteuert werden. Weiterhin soll die Kohlesubvention gestoppt werden, Ausnahmen bei der Ökosteuer gestrichen und die Stromsteuer auf Strom aus erneuerbaren Energien abgeschafft werden. Zertifikate aus dem Emissionshandel sollen grundsätzlich versteigert und Schlupflöcher für energieintensive Branchen geschlossen werden. Die Zusatzgewinne, welche die Energieunternehmen aus der kostenlosen Verteilung der Zertifikate generieren konnten, sollen ebenfalls besteuert werden. Schließlich wollen die Bündnisgrünen die Grundsteuer so umgestalten, dass die Anreize zum sparsamen Flächenverbrauch erhöht werden.

Kap. 2: Die Zukunft ist erneuerbar - Mit neuer Energie gegen Atom, Kohle und Wirtschaftskrise

Die Bündnisgrünen setzen sich für eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes der Industriestaaten bis 2050 um mehr als 80 % ein. Für Deutschland fordern sie eine 40 %ige Reduktion bis 2020 im Vergleich zu 1990. Mithilfe eines Klimaschutzgesetzes soll dieses Minderungsziel verbindlich festgeschrieben und überwacht werden. Die Ministerien sollen dabei mit eigenen Emissionsvorgaben ("Carbon Budgets") nach britischem Vorbild ausgestattet werden.
Bis zum Jahr 2040 sollen 100 % der Energie in Deutschland aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, im Strombereich soll dieses Ziel bereit 2030 erreicht werden. Im Jahr 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energie in der Stromproduktion mindestens 40 % betragen. Dies soll dadurch unterstützt werden, indem der Klimaschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen wird: "Öffentliche Investitionen und die Rahmenbedingungen für den Markt müssen darauf ausgerichtet sein, den Umstieg vom fossil-atomaren in das solare Zeitalter so schnell wie möglich zu schaffen." (S. 62)
Die Bündnisgrünen wollen ein Wärmegesetz, welches auch auch für den Gebäudebestand den Gebrauch erneuerbarer Energien vorgibt. Abwärme aus industriellen Prozessen soll zukünftig nicht mehr vergeudet werden, weshalb das Wärmenetz ausgebaut werden soll. Bis 2020 soll die Nachrüstung aller Gebäude auf mindestens 20 % erneuerbarer Wärme verpflichtend sein. Dazu soll ein Finanzprogramm zur Unterstützung auferlegt werden. Außerdem wollen die Bündnisgrünen mit dem "Masterplan Netzintegration" ein intelligentes Stromnetz schaffen, um erneuerbare Energien optimal zu integrieren. Hierzu gehört auch der Bau eines europaweiten Hochspannungsgleichstromnetzes und die Förderung von Kombikraftwerken inklusive Speicher. Außerdem vertreten die Bündnisgrünen die Meinung, dass die Energienetze in eine konzernunabhängige Deutsche Netzgesellschaft mit staatlicher Mehrheit gehören.
Besonders riskante AKW will die Partei vorzeitig vom Netz nehmen, es bleibt beim geplanten Atomausstieg. Dieser soll vielmehr weltweit vollzogen werden. Was die Endlagerung radioaktiven Abfalls betrifft, wollen die Bündnisgrünen die "betrieblichen Rückstellungen der Betreiber für die Entsorgung und den Rückbau der Reaktoren in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführen." (S. 66) Per Endlagersuchgesetz soll in einem ergebnisoffenem Suchverfahren der beste geologische Standort für den Atommüll gefunden werden.
Der Bau neuer Kohlekraftwerke wird von der Partei abgelehnt. Die CCS Technologie wird nicht unterstützt, da "keine CO2-Endlagerexperimente zu Lasten nachfolgender Generationen und zukünftiger Nutzungen" (S. 67) stattfinden sollen.
Das Thema Energieeffizienz soll ein Schwerpunkt der Regierungsarbeit werden, weshalb ein Energieeffizienzgesetz aufgelegt werden soll. Bei Haushaltsgeräten soll das sogenannte Top-Runner-Modell dazu führen, dass die energiesparendsten Geräte den Standard vorgeben.
Weiterhin fordern die Bündnisgrünen ein integriertes kommunales Klimaschutzkonzept mit klaren Zielvorgaben für die CO2-Reduktion. Ein ganzeinheitlicher Bundesmobilitätsplan soll den Bundesverkehrswegeplan ablösen. Der Güterverkehr soll verstärkt auf die Schiene verlagert und die Lkw-Maut auf das gesamte Straßennetz ausgedehnt werden. Die Seeschifffahrt soll in den CO2-Emissionshandel einbezogen werden und der Bahnstrom schrittweise auf Ökostrom umgestellt werden. Die zusätzlichen geplanten Ausgaben für den ÖPNV gibt die Partei mit zwei Milliarden Euro an. Daneben sollen 30 km/h zur Regelgeschwindigkeit innerorts, 80 km/h auf Landstraßen und 120 km/h auf Autobahnen werden. Der Radverkehr soll gefördert werden.
Die Steuerprivilegien des Flugverkehrs soll nach Willen der Bündnisgrünen beendet und zusätzliche eine Flugticketabgabe eingeführt werden.
Bis zum Jahr 2020 soll der durchschnittliche CO2-Grenzwert für Automobile auf 80 g/km gesenkt werden und bis 2030 noch einmal deutlich darunter liegen. Mindestens zwei Millionen Elektrofahrzeuge sollen bis 2020 nach Willen der Bündnisgrünen auf deutschen Straßen fahren. Dazu soll ein Marktanreiz- und Forschungsprogramm in Höhe von 500 Mio. € pro Jahr aufgelegt werden.
Emissionszertifikate sollen in Zukunft grundsätzlich versteigert werden. Dazu ist ein neues globales Klimaabkommen notwendig, welches auf einem gerechten Ausgleich von Nord und Süd beruhen muss. Der Norden muss dabei seiner historischen Verantwortung nachkommen.

Kap. 4: Bildung statt Beton - Bessere Schulen, bessere Hochschulen, bessere Ausbildung

Hier heißt es zum Thema Forschung: "Auch der Schutz von Umwelt und Tieren macht Grenzziehungen für die Forschung nötig. Alternativen zu Tierversuche_1508n müssen konsequent angewandt werden, die Erforschung von Ersatzmethoden wollen wir verstärken. (...) Risikoforschung und Technikfolgeabschätzung sollen zum integralen Bestandteil von Forschung werden." (S. 111)

Kap. 6: Verbraucherinnen und Verbraucher an die Macht - Informationsfreiheit und Sicherheit

Die Bündnisgrünen fordern die Einführung eines Nachhaltigkeitssiegels, welches die ökologischen und sozialen Folgen einer Ware verdeutlicht. Außerdem wird die Möglichkeit zur Sammelklage gefordert.
Lebensmittel sollen transparent gekennzeichnet werden, so dass klar ersichtlich wird, ob Tiere mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden. Gentechnik in Lebensmitteln lehnen die Bündnisgrünen ab, genauso wie Gentech-Pflanzen. In diesem Zusammenhang soll die "Terminatortechnologie" zur Abtötung der Keimfähigkeit des Saatguts, weltweit geächtet werden. Patente auf Tiere, Pflanzen und biologische Züchtungsverfahren lehnt die Partei ab.

Kap. 7: Intakte Umwelt - Erhalten, was uns erhält

Ziel der Bündnisgrünen ist die Minimierung der Strahlenbelastung der Allgemeinheit soweit wie möglich. Dazu sollen Stromleitungen in der Regel unter der Erde verlegt werden und die BüergerInnen sollen ein Mitsprachrecht bei der Standortwahl von Mobilfunkmasten erhalten. In Bezug auf Feinstaub sollen die Emissionsschutzrechte auch auf bestehende Straßen ausgeweitet werden und bei Großfeuerungsanlagen muss die bestehende Luftbelastung der Luft berücksichtigt werden, sowie Kleinfeuerungsanlagen am Stand der Technik orientiert sein. "Der Schutz vor schweren Lungenerkrankungen darf keine Frage des Wohnorts und des Geldbeutels sein. Die Ressource Umwelt ist ungleich verteilt. Gerade Menschen mit geringem Einkommen sind am stärksten von Emissionen betroffen. Sie leben meist an verkehrsreichen Straßen, haben weniger Zugang zu Grünflächen und sauberer Luft. Hier müssen wir einen Schwerpunkt zur Verbesserung der Luftqualität, der Verringerung von Lärmemissionen und dem Zugang zu Freiflächen setzen." (S. 133)
Die Bündnisgrünen fordern eine Verbesserung der Chemikalienverordnung REACH, um eine klare Kennzeichnung von Chemikalien im Alltag zu erreichen.
Nach Meinung der Bündnisgrünen muss die nationale Biodiversitäts-Strategie durch verbindliche Zeit- und Maßnahmenpläne sowie Sanktionsmöglichkeiten und finanzielle Mittel gestärkt werden. Dazu soll auch Forschung, Wissenschaft und Politik auf allen Handlungsebenen vernetzt werden. Zudem wird die Umsetzung des Biotopverbundsystem gefordert und ein Bundeswildwegeplan analog zum Bundesverkehrswegeplan soll aufgestellt werden, um der Zerschneidung von Lebensräumen für Wildtiere entgegen zu wirken. Der Schutz der Buchenwälder, sowie der Nord- und Ostsee misst der Partei eine hohe Bedeutung zu.
Weiterhin fordern die Bündnisgrünen den Stopp der weltweiten Entwaldung und ein Urwaldschutzgesetz. Für sie gehört der Schutz der biologischen Vielfalt integriert in den nationalen und internationalen Klimaschutzprozess. Dahingehend fordern sie auch die Vernetzung von Meeresschutzgebieten mit hohen Schutzstandards, während die Schad- und Nährstoffeinträge vom Festland reduziert werden sollen. Außerdem wird die Beendigung der Ausbeutung der Fischbestände vor der westafrikanischen Küste durch die EU gefordert.
Der Flächenverbrauch soll bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag begrenzt werden, dazu gilt es laut Partei Flächenrecycling und Umnutzung des Bestands zu fördern.
Die Bündnisgrünen wollen, dass Deutschland zügig die EU-Gewässerrahmenrichtlinie erfüllt und dass die Schadstoffeinträge in Flüsse verringert werden. Daneben soll die Rekommunalisierung der Wasserversorgung wieder voran getrieben werden.
Das Staatsziel Tierschutz muss in den Augen der Bündnisgrünen konsequent im Tierschutzrecht umgesetzt werden. So fordert die Partei die artgerechte Haltung aller Nutztiere und die Verhinderung industrieller Massentierhaltung. Die jährliche Reduktion von Tierversuche_1508n um 10 % wird gefordert. In Bezug auf Lebensmittel wollen die Bündnisgrünen ein Nachhaltigkeitssiegel einführen, "um den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, sich bewusst für Produkte aus tiergerechter Haltung zu entscheiden." (S. 137)
Für die Bündnisgrünen soll es in Zukunft nur dann Agrarsubventionen geben, wenn Umwelt- und Klimaleistungen erbracht und Arbeitsplätze geschaffen werden. Exportsubventionen im Agrarbereich sollen "unverzüglich" abgeschafft werden. Sie setzen sich für eine Stärkung der gentechnikfreien Regionen ein.
"Bei jeglicher Biomassenutzung muss sichergestellt werden, dass Anbau, Verarbeitung und Transport nach klaren, strengen und überprüfbaren Klima-, Umwelt und Sozialstandards erfolgen. Zur Energieerzeugung wollen wir vorrangig biogene Abfälle und landwirtschaftliche Nebenprodukte einsetzen." (S. 139)
Auch der Bereich Tourismus soll laut Bündnisgrünen dem Nachhaltigkeitsgedanken unterzogen werden. So sollen in Zukunft keine öffentlichen Gelder mehr für umweltzerstörende Investitionen, wie bspw. Schneekanonen, fließen.
Die Bündnisgrünen wollen durch die Einführung einer Ressourcenabgabe die regionale Kreislaufwirtschaft stärken. Das Duale System soll hingegen abgeschafft werden. Der Neubau weiterer Müllverbrennungsanlagen wird abgelehnt. In der chemischen Industrie soll weniger auf Erdöl und mehr auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt werden, sie soll langfristig unabhängig vom Erdöl werden.
Die Partei tritt für ein integriertes und transparentes Umweltgesetzbuch ein.

Kap. 14: Eine Welt. Eine Vision. Unsere europäische und globale Verantwortung

Die Bündnisgrünen setzen sich für ein "Kyoto-Plus"-Abkommen ein, welches völkerrechtlich verbindlich die Halbierung der globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 sicherstellt. Die Industrieländer sollen eine Reduktion von 80 % leisten. Klimapolitik und das Recht auf Entwicklung müssen bei den Reduktionszielen in Einklang gebracht werden, weshalb ein globaler Emissionshandel errichtet werden soll. Dazu soll auch der Wissens- und Technologietransfer bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz in die Entwicklungs- und Schwellenländer voran getrieben werden. Außerdem sollen die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden.
Im Rahmen der UN soll die Handels-, Klima-, Umwelt- und Entwicklungspolitik besser aufeinander abgestimmt werden. Außerdem wollen die Bündnisgrünen die WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte am geistigen Eigentum (TRIPS-Übereinkommen) neu verhandeln.
Bis 2015 sollen 0,7 % des BSP jährlich für Entwicklungspolitik bereit gestellt werden und ein eigenständiges Entwicklungsministerium etabliert werden. Die Partei hält Entschuldungsinitiativen und die Streichung illegitimer Schulden für unerlässlich.

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Externe Links:
Bundestagswahlprogramm 2013 Bündnis 90/Die Grünen
Webseite der Bundestagsfraktion

Schlagworte

Atomausstieg, Atommüll, Bundestag, Bündnis 90/Die Grünen

Letzte Aktualisierung

18.02.2015 10:48

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