Aachener Stiftung Kathy Beys

Entwaldung tropischer Regenwälder

Die tropischen Regenwälder - genauer: Regenwaldökosysteme - haben eine besondere Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung sowohl der betreffenden Region als auch mittlerweile global. Seit Jahrhunderten tragen sie zum Überleben und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Menschheit bei. Tropenholz diente und dient auch heute noch zum Bau von Möbeln, Schiffen und Häusern; es wird zur Herstellung von Papier oder als Energieträger genutzt. Allerdings steht die Nutzung natürlicher Waldflächen wie die Regenwälder in Konkurrenz zu anderen, kurzfristig wirtschaftlich ertragreicheren Nutzungsformen, wie etwa Weideland zur Rinderhaltung oder Soja- oder Ölpalmenplantagen für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln oder chemischen Rohstoffen für die chemische Industrie oder die derzeit umstrittene Produktion von Biokraftstoffen siehe Lahl: Ölwechsel. Biokraftstoffe und nachhaltige Mobilität.

Der Energie- und Rohstoffbedarf der Industrienationen und mittlerweile auch der Schwellenländer hat dazu geführt, dass die Prinzipien einer nachhaltigen Forstwirtschaft wie Berücksichtigung der Regenerationsfähigkeit bei den tropischen Regenwäldern längst aufgegeben wurden. Die oben beschriebenen, meist nicht nachhaltigen Nutzungen haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einer massiven Verringerung der Fläche tropischer Regenwälder geführt. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO sind während der 1990er Jahre etwa 16,1 Millionen Hektar Wald pro Jahr abgeholzt worden, das meiste davon in den Tropen. Die Entwaldung der tropischen Regenwälder schreitet weiter voran. Derzeit wird alle zwei Sekunden etwa die Fläche eines Fußballfeldes zerstört. Nach dem Bericht zum Zustand der Wälder: Global Forest Resources Assessment 2005. Main Report von der FAO haben allein die sieben Staaten Brasilien, Indonesien, Sudan, Sambia, Mexiko, Demokratische Republik Kongo und Myanmar zwischen 1990 und 2000 mehr als 71 Millionen Hektar Wald verloren, eine Fläche, die zweimal so groß ist wie das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Angeführt wird diese Liste von Brasilien mit einem Verlust von 2,3 Millionen Hektar, gefolgt von Indonesien mit 1,3 Millionen Hektar entwaldeter Fläche - jeweils pro Jahr.

Diese Zahlen sind alarmierend, haben doch die tropischen Regenwaldökosysteme für die Menschheit überlebenswichtige Funktionen, die sie bei einer gleichbleibend hohen Entwaldungsrate in naher Zukunft nicht mehr erfüllen können. Zu den bedeutendsten, von Regenwäldern bereitgestellten Ökosystemleistungen gehören u.a. die Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoff (siehe CO2 Belastung), die Filtration und Speicherung von Wasser sowie die Funktion als natürlicher Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus spielen intakte Wälder wie etwa Mangrovenwälder eine bedeutende Rolle in den Strategien zur Anpassung an den Klimawandel.

Was versteht man unter Ökosystemleistungen?
Als Ökosystemdienstleistungen bezeichnet man ökologische Prozesse oder Funktionen natürlicher Ökosysteme, die für Individuen oder die Gesellschaft einen Wert haben. Beispiele sind die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre mit einem konstanten Anteil an Sauerstoff, sauberes trinkbares Wasser, fruchtbarer Boden, erntbare Bestände von Holz, Fisch und anderen biologischen Ressourcen, die biologische Abwasserreinigung oder die Blütenbestäubung bei Kulturpflanzen.Welche Ökosystemdienstleistungen für die Gesellschaft erbracht werden können, wird zum Einen durch natürliche Faktoren bestimmt, etwa die Artenzusammensetzung und die Artenvielfalt eines Ökosystems, zum Anderen durch seine Fähigkeit, eine bestimmte Funktion zu erfüllen, etwa die Speicherung von Wasser oder Kohlenstoff. Diese Faktoren unterliegen lokalen, regionalen und globalen Einflüssen. Andererseits sind gesellschaftliche Präferenzen, wirtschaftliche Strukturen und Marktverhältnisse dafür ausschlaggebend, welchen Wert diese Leistungen für die Gesellschaft aufweisen.


Die immense Bedeutung dieser Ökosystemleistungen ist der internationalen Gemeinschaft schon seit längerem bewusst, siehe etwa die Walddeklaration von Rio 1992 und die erste Weltwaldkonferenz in Jakarta 1993. Bislang sind die Erfolge im Kampf gegen die Abholzung der Tropenwälder jedoch eher bescheiden. Die globalen ökologischen Auswirkungen sind immens. So trägt die Entwaldung tropischer Regenwälder den Angaben des 4. Sachstandsberichts des Weltklimarates (engl. Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) zufolge mit einem Anteil von ca. 17,4 % der globalen Treibhausgasemissionen bedeutend zum Klimawandel bei.

Auch hinsichtlich des Erhaltes biologischer Vielfalt haben die tropischen Regenwälder eine herausragende Rolle, stellen sie doch den Lebensraum von etwa 10 bis 30 Millionen Tier- und Pflanzenarten und beherbergen somit mehr als die Hälfte der derzeit bekannten Arten. Der Erhalt und die nachhaltige Nutzung tropischer Regenwälder sind daher neben anderen internationalen Abkommen vor allem Gegenstand jüngster Verhandlungen im Rahmen des Klimaschutzregimes sowie des Übereinkommens über die biologische Vielfalt Artenschutz-Konvention, die nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch die Vielfalt der Ökosysteme und die genetische Vielfalt umfasst.

Darüber hinaus bilden die Regenwälder die Lebensgrundlage einer Vielzahl indigener Völker, vor allem in Lateinamerika, Asien und Afrika. Die Rechte der indigenen Völker an ihrem Lebensraum und ihrer Kultur ist eines der Prinzipien (Nr. 22) der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung 1992. Eine nachhaltige Waldwirtschaft respektiert nicht nur die Rechte der Indigenen, sondern trägt auch zu ihrer Partizipation am wirtschaftlichen Ertrag bei und stellt somit einen wesentlichen Eckpfeiler der Bekämpfung der Armut dar.

Dokumente
Forest Governance in a Rapidly Changing World (2008)

Interne Links
Externe Links
Homepage des IPCC
Deutsche Zusammenfassung des 4. IPCC Sachstandsberichtes zu Klimaänderungen
Homepage der FAO
Global Forest Resources Assessment 2005. Main Report, Rom, FAO
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): Umwelt und Infrastruktur
Klimabündnis: Indigene Völker in Amazonien
Survival: die Bewegung für indigene Völker
Yanomami-Hilfe: Website der Hilfsorganisation von Christina Haverkamp

Schlagworte

Armut, Boden, Indigene, Landwirtschaft, Probleme, Regenwald, Rohstoff, Wald

Letzte Aktualisierung

03.11.2015 10:00

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